Percy Schmeiser in Österreich
04.11.2008
Event jetzt bewerten:Unser Saatgut im Visier von Monsanto! Über seinen Kampf gegen den Gentech-Konzern Monsanto sprach am 4. November in Linz Percy Schmeiser, Träger des Alternativen Nobelpreises.
Eingeladen
hatten die Grünen Bäuerinnen und Bauern, weitere Kooperationspartner waren
zudem Attac, Bio Austria, Diözese Linz, Erde & Saat und Südwind. Gekommen
waren mehr als 250 TeilnehmerInnen.
Klaus Buttinger von den OÖN moderierte die Veranstaltung
Percy Schmeiser, kanadischer Bauer und Saatgutzüchter war vom Saatgut- und Chemiemulti Monsanto
verklagt worden, weil auf seinem Acker - durch Pollenflug eingekreuzte - Gen-Rapspflanzen
wuchsen. In einem langwierigen Gerichtsverfahren das international große
Aufmerksamkeit erhielt kam es zu einem kuriosen Gerichtsurteil. Alle Pflanzen
auf Percy's Feldern, die kontaminiert waren und die Monsanto-Gene enthielten
seien automatisch Eigentum des Konzerns wurde beschieden. Schmeiser ging in die Gegen-Offensive und klagte
seinerseits Monsanto auf Schadenersatz für die Verunreinigung. Monsanto solle
die Kosten für die Entsorgung der GVO-Pflanzen von Schmeisers Feldern
übernehmen. Im März 2008 gab der Konzern nun klein bei und zahlte.
Der 78-jährige
begeisterte das Publikum durch den authentischen Bericht über seine fast
10-jährige Leidensgeschichte im GVO-Widerstand. Anschließend gabs
Stellungnahmen vom Podium: Franziskus Forster (ATTAC): „Die Privatisierung des
gesellschaftlichen Gemeinguts Natur ist eine Krise für unseren Zugang zu
Ressourcen". Landesrat Rudi Anschober erläutert die Strategie der Grünen: „OÖ
will bis 2009 ein Verbotsgesetz für Gentechnik-Raps- und -Maisanbau erreichen.
Im zweiten Anlauf wollen wir alle im Boot haben - von den Saatgutfirmen bis zu
den ImkerInnen". Johann Neumayer von der Erzdiözese Salzburg stellt die
ethische Dimension in den Mittelpunkt : „Dürfen manche die Vorteile einer
Technik nutzen, wo andere gravierende Nachteile tragen?"; und Martin Tragler
(Obmann von Bio-Austria OÖ): „Biolandbau ist ein Problemlöser und Garant für
Gentechnikfreiheit".
In der anschließenden
Publikumsdiskussion bestand Konsens:
Koexistenz ist nicht möglich. Wahlfreiheit
besteht nur durch eine gentechnikfreie Landwirtschaft!
am Podium:
Thomas Waitz
(GBB), Percy Schmeiser, Wolfgang Pirklhuber, Franziskus Forster (Attac), Rudi
Anschober, Johann Neumayer (Kirche) und
Martin Tragler (Bio-Austria)
Percy
Schmeiser's Kampf
Percy
Schmeiser, Bauer und Saatgutzüchter aus Kanada wurde weltweit zum Symbol der
GentechnikgegnerInnen. Seit er 1998 vom Saatgut- und Chemie-Multi Monsanto auf
Lizenzzahlungen verklagt wurde, weil auf seinem Acker - vermutlich durch
Pollenflug eingekreuzte - Gen-Rapspflanzen wuchsen und damit seine
jahrzehntelange Zuchtarbeit zerstört wurde, kämpft er gegen die Gentechnik. 2007 wurde ihm und seiner Frau dafür in Stockholm der alternative Nobelpreis
verliehen. Nach einem langen Weg durch alle Instanzen bis zum Obersten Kanadischen
Gerichtshof musste Monsanto im März 2008 die Verantwortung für die
Kontamination auf Schmeisers Feldern übernehmen. Trotz weltweiter Widerstände
bleibt es das Ziel von Monsanto und anderer Gentechnik-Konzerne, möglichst viel
Verfügungsgewalt über das Saatgut und damit auch über unsere Nahrungsmittel zu
erlangen.
Europa: Erfolg der Umweltbewegung;
Gentechnik-Anbau konnte in Grenzen gehalten werden; Kritik an der Europäischen
Zulassungsbehörde EFSA
Derzeit
wird EU-weit auf rund 108.000 Hektar gentechnisch veränderter Mais angebaut.
Bei 172 Mio. Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche in der EU sind das
lediglich 0,06% der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche. Es wird
ausschließlich der Bt-Mais MON 810 in der praktischen Landwirtschaft genutzt.
Zwar haben noch zwei weitere gv-Maislinien (Events Bt176, T25) eine Zulassung, jedoch
sind keine Sorten dazu auf dem Markt. Dagegen sind zahlreiche Sorten, die aus
MON810-Mais hervorgegangen sind, in mehreren EU-Ländern zugelassen. Anfang 2008
waren 70 Sorten in den "gemeinsamen Sortenkatalog" der EU
eingetragen.
|
Anbau von gv-Pflanzen in der EU
in Hektar |
|||
2005 |
2006 |
2007 |
2008 |
|
Spanien |
53.225 |
53.667 |
75.148 |
79.269 |
Frankreich |
492 |
5.000 |
21.147 |
- |
Tschechien |
150 |
1.290 |
5.000 |
8.380 |
Portugal |
750 |
1.250 |
4.500 |
4.851 |
Deutschland * |
342 |
947 |
2.685 |
3.173 |
Slowakei |
- |
30 |
900 |
1.900 |
Rumänien |
**110.000 |
**90.000 |
350 |
7.146 |
Polen |
- |
100 |
320 |
3.000 |
Summe gv-Mais |
54.959 |
62.284 |
110.050 |
107.725 |
* Quelle: Standortregister des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)
** Anbau von gv-Soja
Derzeit wird heftige Kritik an der Risikobewertung im Rahmen der EU-Zulassungsverfahren für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) geübt. Der dafür zuständigen Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) wird vorgeworfen, fast ausschließlich die Unterlagen der Zulassungswerber zu prüfen und industriefreundliche Empfehlungen abzugeben. Daher hatte Frankreich, das bis Ende des Jahres den EU-Ratsvorsitz hat, eine Arbeitsgruppe eingesetzt, um Vorschläge für Änderungen an dem derzeitigen Zulassungsverfahren zu erarbeiten. Im letzten Umweltministerrat am 20. Oktober gab es eine Debatte darüber, auf der Ratstagung im Dezember soll abschließend darüber entschieden werden. Im Wesentlichen geht um die Erarbeitung der Richtlinien, die den Sicherheitsbewertungen der EFSA zugrunde liegen sollen und um folgende Fragestellungen:
1) Soll Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt werden, in bestimmten ökologisch sensiblen oder
geschützten Regionen den Anbau von gv-Pflanzen zu verbieten?
2) Sollen bei der Zulassung von GVO auch sozio-ökonomische Kriterien herangezogen werden?
3) Sollen oder können langfristige Umweltauswirkungen von gv-Pflanzen bei der Zulassung berücksichtigt
werden?
4) Welchen Spielraum für Importverbote gibt es im Rahmen der Verträge der Welthandelsorganisation WTO?
Österreich: Gentechnikfreier Anbau durch mehrere Maßnahmen abgesichert
Reinheitsgebot für Saatgut
Die österreichische Saatgut-Gentechnik-Verordnung legt Grenzwerte für Verunreinigungen von Saatgut mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) fest. Zufällige oder technisch unvermeidbare Verunreinigungen dürfen bei der Erstuntersuchung bei der Zulassung und Anerkennung von Saatgut nicht vorhanden sein. Bei der Nachkontrolle - im Rahmen der Saatgutverkehrskontrolle - darf der Grenzwert von 0,1% (Nachweisgrenze) nicht überschritten werden.
Saatgut-Anbaugebiete-Verordnung
Diese Verordnung ermöglicht den Ländern zusätzlich, geschlossene Anbaugebiete zur Sicherung der Saatgutqualität einzurichten.
Importverbote
In Österreich gelten derzeit Importverbote für den Bt-Mais MON 810, den Bt-Mais T25, den gv Mais MON 863, den gv Ölraps GT73 und den gv Raps aus den Ölrapslinien Ms8, Rf3 und Ms8xRf3. Die meisten Importverbote kamen aufgrund von einstimmigen Beschlüssen des österreichischen Parlaments zustande.
http://www.parlament.gv.at/PG/DE/XXIII/I/I_00532/fname_107430.pdf
http://www.parlament.gv.at/PG/DE/XXIII/I/I_00532/fname_107429.pdf
Gentechnik-Vorsorge-Gesetze der
Bundesländer - „Koexistenzmaßnahmen"
Ein Kernpunkt der österreichischen
Strategie gegen den Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft sind die
Gentechnik-Vorsorgegesetze. Bei diesen Landesregelungen handelt sich um
Vorsorgenmaßnahmen für den derzeit nicht existierenden Fall, dass der GVO-Anbau
in Österreich gestattet ist. Die Gesetze sind so streng formuliert, dass dieser
Anbau unattraktiv ist.
Einstimmiger Beschluss des
Nationalrates zur Erhaltung des gentechnikfreien Anbaues in Österreich
Auf Initiative der Grünen kam es im
Nationalrat vor der Sommerpause zu einem weitreichenden einstimmigen
Entschließungsantrag:
http://www.parlament.gv.at/PG/DE/XXIII/A/A_00779/fname_112025.pdf
„Koexistenz" ist
nicht möglich
Die EU-Kommission hat im Juli 2003
unverbindliche Leitlinien zur „Koexistenz" (ein Nebeneinander von
Bio-Landwirtschaft, traditioneller und Gentechnik-Landwirtschaft) vorgelegt. In
den einzelnen Mitgliedstaaten gibt es daher einen Flickenteppich an
unterschiedlichen Koexistenz-Vorschriften. Aus folgenden Gründen ist das von
der EU-Kommission vorgelegte „Koexistenz-Modell" weder akzeptabel noch
praktikabel:
- In Österreich sind nahezu 12 % aller landwirtschaftlichen Betriebe Biobetriebe. Sie bewirtschaften mehr als 13 % der gesamten landwirtschaftlichen Fläche und sind zur gentechnikfreien Produktion verpflichtet. Beim Anbau von Gentechnik-Produkten wären sie infolge der kleinteiligen Agrarstrukturen in Österreich in ihrer Existenz gefährdet.
- Für KonsumentInnen und Handel ist Gentechnikfreiheit ein Qualitätsmerkmal. Daher werden Gentechnik-Produkte in Österreich weder angeboten noch nachgefragt.
- Beim Anbau von Gentechnik-Saatgut müssten umfassende Schutzmaßnahmen ergriffen werden: Sicherheitsabstände, Pollenbarrieren, getrennte Produktions- und Warenströme. Der Anbau von GVO würde das unwiderrufliche Ende einer gentechnikfreien Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion in Österreich bedeuten! In Österreich wären aufgrund der spezifischen Gegebenheiten (Naturschutzgebiete, Natura 2000-Gebiete, ökologisch sensible Gebiete wie die Alpen, konventionelle Betriebe, die auf den Einsatz der Gentechnik verzichten wollen) die notwendigen Maßnahmen viel zu aufwändig.
Geheime
Pro-Gentechnik-Offensive der EU-Kommission
Der britischen Zeitung „The
Independent" vom 26. Oktober 2008 ist zu entnehmen, dass der Vorsitzende der
EU-Kommission Barroso das Thema Gentechnik zur Chefsache erklären und gemeinsam
mit den europäischen Regierungen an einem geheimen Plan arbeiten will,
gentechnisch veränderte Pflanzen bzw. Produkte mit aller Macht in Europa
durchzusetzen und entsprechend zu bewerben.
Der hochrangige Agrarexperte der
EU-Kommission Russell Mildon stellte in Aussicht, auf Basis einer Studie des
Europäischen Parlaments „das eklatante Proteinversorgungsproblem der
Viehwirtschaft in der EU durch raschere Zulassungen der Inverkehrbringung von
GVO-Futtermittelimporten" entschärfen zu wollen. Offenbar soll damit ein Signal
an die Futtermittelexporteure USA, Brasilien und Argentinien gegeben und das
Tor zur Gentechnik in der EU geöffnet werden. Laut American Soybean Association
(ASA) waren in den USA im Jahr 2007 95 Prozent der Sojaernte, in Argentinien 99
Prozent und in Brasilien mehr als 60 Prozent der Sojaernte aus dem Anbau von
gentechnisch veränderten Sorten. Daher fordert die ASA im Gleichklang mit der
EU-Futtermittelindustrie FEFAC neben schnelleren Zulassungsverfahren in der EU
auch die Anhebung der Toleranzgrenze für unbeabsichtigte Verunreinigungen. „2%
wären gerade praktikabel mit viel Aufwand, 5% wären realistisch", so die
Vertreter der US-Sojaproduzenten.
Vorsorgeprinzip im WTO-Abkommen
nicht verankert
Aufgrund des Urteils der
Welthandelsorganisation WTO im Handelsstreit zwischen der EU und den USA musste
Österreich die Importverbote für die gentechnisch veränderten Maissorten MON
810 und T25 als Lebens- und Futtermittel zwar aufheben, das Importverbot als
Saatgut bleibt jedoch weiterhin aufrecht.
Im WTO-Regelwerk steht nach wie vor
das Freihandelsprinzip im Zentrum des Interesses. Eine explizite Nennung des
Vorsorgeprinzips besteht - im Unterschied zum Umweltrecht (Cartagena-Protokoll)
- im WTO-Recht nicht. Das
UN-Cartagena-Protokoll zur Biologischen Sicherheit, das im September 2003 in
Kraft trat, erlaubt dem Empfängerland, die Einfuhr von GVO zu verbieten, wenn
begründete Argumente bezüglich Sicherheit für die Umwelt, die biologische
Vielfalt und die menschliche Gesundheit bestehen. Unter Berufung auf das
Vorsorgeprinzip können die Mitgliedstaaten damit Importverbote verhängen. Das
Vorsorge-Prinzip muss daher auch im WTO-Recht verankert werden.
Grüne Anti-Gentechnik-Offensive
- Österreich muss gentechnikfrei bleiben: Nationale Gentechnik-Importverbote müssen verteidigt und durch weitere unabhängige Gutachten abgesichert und ausgeweitet werden.
- EU-Anerkennung des Rechts auf gentechnikfreie Regionen: Die EU muss die Möglichkeit der Schaffung von gentechnikfreien Regionen gesetzlich absichern.
- Reform der EFSA: Die Europäische Lebensmittelagentur (EFSA) muss reformiert werden: Konsequente Anwendung des Vorsorgeprinzips, Heranziehung von sozio-ökonomischen Kriterien und Berücksichtigung der langfristigen Umweltauswirkungen bei der Zulassung. Etablierung einer fundierten und unabhängigen Gentechnik-Risikoforschung.
- Reform der WTO: Das Vorsorge-Prinzip muss im WTO-Abkommen verankert werden, das WTO-Abkommen mit den multilateralen Umweltabkommen (wie z.B. die Biodiversitäts-Konvention) in Einklang gebracht werden. Keine Patentierung von Pflanzen und Lebewesen.
- Haftung nach dem Verursacherprinzip: Verankerung des „Polluter pays" - Prinzips in allen einschlägigen Gesetzen auf nationaler und EU-Ebene.
- Keine Verwendung von Gentechnik-Saatgut als Voraussetzung für die Teilnahme am österreichischen Agrarumweltprogramm ÖPUL.
- Der einstimmige Entschließungsantrag der letzten Gesetzesperiode muss auch für die neue Bundesregierung gelten.