Bäuerliche Direktvermarktung stärken!
19.08.2008
Event jetzt bewerten:Ausweg aus der Lebensmittel-Teuerung: Bäuerliche Direktvermarktung stärken - preiswerte Lebensmittel aus der Region!
„Es ist ein Gebot der Stunde, die bäuerliche
Direktvermarktung zu stärken. Wertvolle Lebensmittel können zu angemessenen
Preisen auf Bauernmärkten und direkt ab Hof eingekauft werden. Nur wenn es eine
entsprechende Vielfalt des Angebots gibt, wird der Preiswettbewerb auch im
Sinne der KonsumentInnen positiv wirken", sagt Wolfgang Pirklhuber.
Grete Ployer: „Die derzeitigen bürokratischen Hürden
und sozialrechtlichen Schikanen für die Bäuerinnen und Bauern sind völlig
ausufernd. Immer weniger Bäuerinnen und Bauern schaffen die Mehrarbeit. Zudem
werden Sie durch die Zahlung zusätzlicher Sozialversicherungsbeiträge für die
Direktvermarktung bestraft."
Entwicklung
der Direktvermarktung in Österreich: TENDENZ SINKEND!
Dazu gibt es Daten
aus dem Lebensmittelbericht 2008 des
BMLFUW, S 110:
Direktvermarktung - Einkäufe von Agrarprodukten |
||||
Einkäufe nach Menge |
Einkäufe nach Wert |
|||
2006 in 1.000 kg |
Veränderung zu 2002 in % |
2006 in 1.000 kg |
Veränderung zu 2002 in % |
|
Ab-Hof-Verkauf |
92.112 |
-25,7 |
183.499 |
-22,5 |
Bauernmarkt |
16.989 |
-31,7 |
47.161 |
-21,1 |
Zustelldienste |
13.392 |
-2,8 |
84.051 |
+17,6 |
Quelle: RollAMA, AMA Marketing (2007) |
Die beliebtesten
Produkte bei der Direktvermarktung sind laut Lebensmittelbericht nach Menge in
%: Eier (35%), gefolgt von Erdäpfel (21,8%), Frischmilch (13,3%) und Fleisch-
und Geflügel (9,9%), Frischgemüse (4,6%), Frischobst (4,1%), Wurst und Schinken
(2,3%), Käse (1,4%) und Butter (0,7%).
Pirklhuber: „Der starke
Rückgang von 20 bis 25 % bei der Direktvermarktung von Lebensmitteln hat nicht
den Grund, dass die KonsumentInnen nicht mehr nachfragen würden, sondern, dass
immer weniger Bäuerinnen und Bauern diese Zusatzarbeit bei den derzeitigen Rahmenbedingungen
leisten können."
Die Grünen Bäuerinnen und Bauern haben eine Recherche
dazu durchgeführt.
Folgende
Hauptgründe werden von den Bäuerinnen und Bauern angegeben:
- Zusätzliche Hygienevorschriften: z.B. soll nach der Fleischhygiene-Verordnung ein eigener Umkleideraum für die TierärztInnen am Hof zur Verfügung stehen; oder Betriebe, die Milch direkt vermarkten, müssen die Milch 2 x pro Monat auf Zellzahl und Keimzahl untersuchen - auch wenn die Rohmilch sofort zu Käse verarbeitet oder pasteurisiert wird.
- Vermehrte Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten: Wenn eine Bäuerin z.B. täglich die Milch pasteurisiert, um Joghurt herzustellen, müssen täglich Aufzeichnungen über die Menge der pasteurisierten Milch und der Zusätze für das Joghurt aufgeschrieben werden. Überprüft wird die Vollständigkeit der Aufzeichnungen von der Lebensmittelbehörde.
- Erhöhte Sozialversicherungsbeiträge: BäuerInnen müssen bis 31. März ihre Einkünfte aus der Direktvermarktung an die Sozialversicherung melden. Es gibt eine Urproduktionsliste, die bestimmte Produkte von der Meldungspflicht für die Sozialversicherung befreit. Bei all den anderen Produkten sind ab einem Umsatz von 3.700 Euro für die gesamten Einnahmen zusätzliche Sozialversicherungsbeiträge zu bezahlen.
Dazu kommen der
hohe Arbeits- und Zeitaufwand und damit wenig Ertrag bzw. geringe
Rentabilität.
Doppelte
Versicherung und doppelte Kammerumlage
Die Regelungen sind inzwischen sehr vielschichtig
und teilweise widersprüchlich. So gibt es unterschiedliche Abgrenzungen
zwischen Landwirtschaft und Gewerbe im Steuerrecht und nach der Gewerbeordnung - im Gewerberecht
nach der so genannten Urproduktionsliste, im Steuerrecht nach der Art der
Einnahmen. Fällt ein bäuerlicher Direktvermarkter unter das Gewerbe, so ist er
zusätzlich pflichtversichert nach dem gewerblichen Sozialversicherungsgesetz
und zahlt Wirtschaftskammer-Umlage - und damit doppelte Versicherung und
doppelte Kammerumlage!
Überfällige
Regelungen abschaffen
Pirklhuber:
„In einer Anfragen-Serie an die zuständigen Ministerien - Wirtschafts-, Sozial- Gesundheits- und
Landwirtschaftsministerium - habe ich Druck gemacht, dass überfällige
Regelungen für die bäuerliche Direktvermarktung endlich angegangen und
abgeschafft werden."
Denn seit der Gewerbeordnungsnovelle 2002 steht eine
Verordnung des Wirtschaftsministers aus, die eine Abgrenzung be- und
verarbeiteter Produkte von den landwirtschaftlichen Urprodukten ziehen soll.
Diese wurde nun endlich vorgelegt.
Urprodukte-Verordnung
derzeit in Begutachtung
Noch bis 31. August 2008 ist nun eine Urprodukte-Verordnung des Wirtschaftsministeriums in Begutachtung, die eine Erleichterung bei der
Einstufung so genannter Urprodukte mit sich bringen wird. Neu sind die
Zuordnung von Obstsäften, diversen Milchgetränken, Joghurt und Speiseölen zu
den Urprodukten.
Ployer:
„Die Verordnung ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Die Grünen
Bäuerinnen und Bauern fordern jedoch eine grundlegende Aufwertung der
bäuerlichen Direktvermarktung. Zusätzliche Aufzeichnungspflichten und Abgaben
für die Sozialversicherung müssen entfallen."
Überbordende
Bürokratie
Pirklhuber: Besonders makaber ist, dass die
Sozialversicherungsanstalt der Bauern dem zuständigen Minister Buchinger auf
meine Anfrage, wie hoch die eingehobenen Sozialversicherungsbeiträge aus der
Direktvermarktung in den vergangenen Jahren tatsächlich waren, keine Antwort
geben konnte. Zitat: „Zur Anfrage
bezüglich der Einnahmen des Sozialversicherungsträgers wurde mir seitens des
Hauptverbandes mitgeteilt, dass (...) eine Auswertung der Beiträge, welche
ausschließlich auf die Nebentätigkeit Be- und Verarbeitung entfällt, derzeit
mit vertretbarem Aufwand in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich
ist."
Damit
wird klar: Hier wird mit zweierlei Maß gemessen. Den Bäuerinnen und Bauern
werden leichtfertig allerhand Berichts- und Aufzeichnungspflichten zugemutet,
selbst ist man jedoch weder bereit noch fähig, dem zuständigen Ministerium bzw.
dem Parlament entsprechende Auskünfte zu erteilen.