www.pirklhuber.at // homepage // pirklhuber // gruene

Events


62

Öl vom Acker – Tanken oder Essen?
10.03.2008

Bericht von der Exkursion der Grünen Bäuerinnen und Bauern (GBB) zu zwei Pflanzenöl-Projekten in Oberösterreich (erstellt von DI Dr. Johannes Voitleithner, Organisationssekretär der GBB)

Unter dem Titel Öl vom Acker – Tanken oder Essen? veranstalteten die GBB eine Exkursion zum Pflanzenölprojekt Mühl4telÖl im Lagerhaus Mathausen und zur Bio-Dieselanlage im benachbarten Ennser Hafen.


Treffpunkt Lagerhaus Mauthausen

In der Veranstaltung erfolgte ein Rundgang durch zwei unterschiedliche Treibstoff-Produktionsanlagen. Dazu wurden Fachinformationen gegeben und die ökologische, soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit dieser Treibstoffproduktionsformen diskutiert. Bei einer Abschlussdiskussion wurde das Thema in einen globalen Zusammenhang gesetzt.

1. Exkursionspunkt: Pflanzenölpresse in Mauthausen

Eigentümer:
Die vom Verein Mühl4telöl & Co KG seit Juli 2006 betriebene Pflanzenölpresse im Lagerhaus Mauthausen ist im Besitz von 651 LandwirtInnen (als Rapsanbauer und Rapsölabnehmer) sowie den Maschinenringen Ameisberg-Große Mühl, Böhmerwald, Freistadt, Freistadt Süd & Ost, Gusental, Perg und Urfahr (als Kommanditisten).



Die Pflanzenölpressanlage kostete 250.000 €, wofür 30% Investitionsförderung aus öffentlichen Agrarmitteln gewährt wurden. Aus heutiger Sicht wird mit einem Abschreibungszeitraum von 15 Jahren gerechnet (geplant wurden 10 Jahre).


Pflanzenölpresse

Die Entscheidung, eine zentrale Anlage zu errichten und von hier aus das gesamte Mühlviertel zu beliefern, fiel vor allem aus wirtschaftlichen und qualitativen Überlegungen. Für die Filteranlage ist eine bestimmte Größe erforderlich, um wirtschaftlich beste Reinheit und Qualität des Öl’s zu erhalten. Durch die Einmietung des Vereins in das Lagerhaus (eine Silozelle und eine Halle) können zusätzliche Synergieeffekte mit dem Lagerhaus genutzt werden.


Eingesetzte Rohstoffe:

Die Ölmühle kann pro Tag 12 Tonnen Rapssaat verpressen (das Rapsstroh von der Rapspflanze verbleibt am Feld). Der jährliche Rapsbedarf von rund 3.000 Tonnen kommt zur Hälfte aus Eigenanbau der Vereinsmitglieder (Rapsanbau im Umkreis von 25 km zur Pflanzenölpresse). Der restliche Raps wird zugekauft.


Rapssamen für die Ölgewinnung

Produkte:
In der Anlage können im Kaltpressverfahren pro Tag 4 Tonnen Rapsöl erzeugt werden. In der Praxis wurden im Gesamtjahr 2007 rund 300.000 Liter Öl erzeugt. Dieses Pflanzenöl wird einerseits als Treibstoff für umgebaute Dieseltraktoren (die herkömmlichen Dieselmotoren vertragen reines Pflanzenöl nicht) verwendet sowie als Speiseöl verkauft. Mit dem Öl kann ein 100-PS-Traktor 400 bis 500 Stunden betrieben werden. Das Öl ist mindestens 1 Jahr lagerbar.


Die Rapskuchenlagerbox

Der bei der Verpressung anfallende Rapskuchen bzw. Rapsschrot wird als hochwertiges Tier-Futtermittel (Eiweißträger) ebenfalls an die Vereinsmitglieder geliefert und ersetzt Soja-Importe aus Südamerika. Grob gesagt, entstehen aus 3 Tonnen Rapssaat 2 Tonnen Rapskuchen bzw. -schrot und 1 Tonne Rapsöl.


Rapskuchenpellets

Mit dem Start der Pflanzenölpresse, die nur gentechnikfreien Raps aus Österreich bezieht, wurde der Lagerhausstandort auf GMO-freie Futtermittel (frei von gentechnisch veränderten Organismen) umgestellt, d.h. auch das verkaufte Soja-Futtermittel wird GMO-frei bezogen.


2. Exkursionspunkt: Biodieselraffinerie in Enns

Eigentümer:
Die GATE - Biodiesel Enns GmbH & Co KG, die seit Februar 2007 die Biodieselraffinerie im Enns-Hafen betreibt, ist zu 51% im Eigentum von GATE und zu 49% im Eigentum von der RLB-Tochter Invest Unternehmensbeteiligungs AG. An GATE sind zu 35% Mitglieder der Familie Neckermann sowie zu 65% der Finanzinvestor Fortune Management Inc. aus der Schweiz beteiligt.



Die Anlage in Enns ist die zweitgrößte Biodieselraffinerie in Österreich und kostete 35 Millionen Euro. Beschäftigt sind 33 Personen (v.a. Chemiefacharbeiter, Schlosser, Elektriker und angelernte Personen).




Eingesetzte Rohstoffe:
In der Anlage wird ausschließlich Rapsöl als Ausgangsstoff verwendet, da dieses die beste Qualität für Biodiesel liefert. Das notwendige Rapsöl wird nur zu rund 30% aus inländischen Ölmühlen bezogen. Der große Rest, rund 70 Prozent, wird bereits als gepresstes Öl überwiegend aus Tschechien, Bayern, Polen und Rumänien importiert (Handelspartner sind hier die großen Agrokonzerne ADM - Archer Daniels Midland, Cargill und Bumi). Die Anlieferung erfolgt bisher ausschließlich auf der Schiene.





Produkte:
Das aus den Rapskörnern gepresste Öl wird in der Raffinerie zu Biodiesel bzw. Agro-Diesel und Pharmaglycerin verarbeitet. Die Jahreskapazität beträgt hier rund 100.000 Tonnen Agro-Diesel und rund 9.400 Tonnen Pharmaglycerin.


Verschiedene Agrotreibstoff-Ausgangs- und Verarbeitungsprodukte

Agro-Diesel: Hauptabnehmer für Agro-Diesel aus der Produktion von GATE sind große, international tätige Mineralölkonzerne, die Agro-Diesel dem fossilen Diesel aufgrund der in Deutschland und Österreich geltenden Quotengesetze beimischen. Eine weitere wichtige Kundengruppe bildet das Transportgewerbe, die Agro-Diesel direkt als Kraftstoff für LKW oder Busse einsetzen. Exportiert wird zu 90% ins Ausland, v.a. in die OMV-Raffinerien Burghausen und Ingoldstadt, die wiederum Westösterreich mit Diesel, dem der biogene Kraftstoff Rapsdiesel (=RME - Rapsmethylester) beigemischt ist, versorgen; - 10% werden in Österreich abgesetzt (Lagerhaus, Frächter). Vorteile des Agrodiesels sind seine Schwefelfreiheit, günstige Abgaswerte und gute biologische Abbaubarkeit. Ein Nachteil ist seine geringere Kältefestigkeit gegenüber fossilem Diesel.

Pharmaglycerin: Pharmaglycerin kommt bei der Herstellung von Kunststoffen (z.B. Polyurethanschäumen) und Farbstoffen (z.B. Alizarinblau) zum Einsatz. Es dient als Feuchthaltemittel für Cremes und Salben und wird bei der Herstellung von Bremsflüssigkeiten und Frostschutzmitteln verwendet. Pharmaglycerin dient als Weichmacher für Filme und als wasseranziehender Zusatz für Farbbänder, Kopiertinten und Druckfarben. Zur Synthese von Nitroglycerin findet es zudem bei der Herstellung von Dynamit Verwendung.


Vor dem Werkstor des Bio-Dieselwerkes: Franz Fink (NÖ), Michael Johann, Bundes-Obmann der GBB, Wolfgang Pirklhuber, Fritz Hummer (OÖ.) u.a.

Rapsschrot: Noch vor dem Raffinerieprozess werden nach Vorpressung und Extraktion die in der Ölmühle anfallenden Rapsfeststoffe über eine Vorentbenzinierung, Trocknung und Absorbation zu Rapsschrot aufbereitetet. Dieser kommt als eiweißhaltige Substanz in der Herstellung von Tierfutter (z.B. für Kühe) zum Einsatz.


3. Bewertung der Agrartreibstoffe aus Sicht der Grünen Bäuerinnen und Bauern

Vorweg wird hier für die verbreiteten Bezeichnungen Bio-Treibstoffe, Biodiesel oder Bioethanol der Ausdruck „Bio“ durch „Agro“ ersetzt, da „Bio“ im Landwirtschafts- und Lebensmittelbereich für eine nachhaltige Bewirtschaftung steht, die in der industriellen Agrotreibstoffproduktion in der Regel nicht gewährleistet ist.


Grüne Bäuerinnen und Bauern bei der anschließenden Diskussion!

Wenn auch das Ziel – die erneuerbaren Energien verstärkt zu nützen – richtig ist, so ist der Agro-Treibstoff-Weg der falsche: Denn die Energieeffizienz des Agrosprits ist miserabel, ihr Beitrag zum Klimaschutz wird immer mehr in Frage gestellt, der forcierte Anbau der Energiepflanzen fördert Monokulturen sowie Chemieeinsatz und es zeigt sich zunehmend eine Konkurrenzsituation zur Lebensmittelproduktion. Auf diese Punkte wird in den folgenden Absätzen genauer eingegangen.

Für die in Österreich gesetzlich vorgeschriebene Beimischung von Biokraftstoff und anderen erneuerbaren Kraftstoffen (5,75 Prozent bis Oktober 2008) sind bezogen auf Biodiesel bzw. Agro-Diesel rund 300.000 Hektar Raps nötig, das Zehnfache der aktuellen Rapsanbaufläche Österreichs. Da aber nur begrenzt Stilllegungsflächen zur Verfügung stehen (die aber auch wichtige ökologische Funktionen erfüllen sollen), muss der weitaus größte Teil des notwendigen Raps(öls) schon jetzt importiert werden, vor allem aus den osteuropäischen Nachbarländern. Insgesamt entsteht dadurch eine Konkurrenzsituation zu Nahrungsmittelpflanzen, da der Lebens- und Futtermittelproduktion Flächen entzogen werden. Entscheidend ist: die globale Ackerfläche ist begrenzt.

Die Energieeffizienz des Agrosprits ist deshalb so schlecht, weil ein großer Teil der erzeugten Energie für die Agroethanol- und Agrodiesel-Raffinerie, Transporte sowie Pflanzendüngung und –Schutz draufgeht.

Laut einer aktuellen Studie eines WissenschaftlerInnenteams um den Nobelpreisträger Paul Crutzen kann die Treibhausgaswirksamkeit von Raps-Agrodiesel und Mais-Agroethanol sogar höher als bei fossilem Diesel und Benzin sein. Der Hauptgrund: Beim Anbau der Spritpflanzen wird viel gedüngt, um das Pflanzenwachstum zu fördern. Im Dünger bildet Stickstoff einen wichtigen Bestandteil. Beim Abbau des Düngers wandeln Mikroorganismen einen geringen Teil des Stickstoffs in Distickstoffmonoxid (N2O) um, das in die Atmosphäre gelangt. Dieses N2O, auch unter dem Namen Lachgas bekannt, ist ungefähr 300-mal klimaschädlicher als Kohlendioxid (CO2). Im Vergleich zu fossilen Treibstoffen sei die relative Erwärmung durch N2O-Emissionen beim Rapsanbau um bis zu 1,7-mal höher als der entstehende Klimaschutzeffekt durch eingespartes CO2. Bei Agrosprit aus Mais liege der Faktor zwischen 0,9 und 1,5.

Nicht nur, dass für die Agrosprit-Produktion ein massiver Einsatz von Chemie und Energie stattfindet. Es wird auch der Gentechnik massiver Vorschub geleistet. So wird schon heute im Agrosprit-Bereich in den USA und Kanada massiv Genraps und Genmais eingesetzt.

Das Agrosprit-Ziel ist wegen des schlechten Energie-Input zu Output- Verhältnisses sogar hinderlich für eine effiziente Nutzung der Bioenergie-Ressourcen. Denn wenn auf den zur Verfügung stehenden landwirtschaftlichen Flächen Kurzumtriebswälder zur Holz-Hackgut-Produktion angelegt werden, könnte so die dreifache Menge an Erdöl und Treibhausgasen ersetzt werden. Deswegen sollten Bioenergien vorwiegend dort eingesetzt werden, wo sie die beste Energieeffizenz haben: Im Raumwärmebereich. Für den Verkehrssektor gibt es viel sinnvollere Maßnahmen wie z.B. den Ausbau des öffentlichen Verkehrs oder die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene.

Nur dort, wo die Rohstoffe ökologisch nachhaltig angebaut und energieeffizient eingesetzt werden, leisten Agrotreibstoffe – in diesem Fall stimmt auch die Bezeichnung „Bio“-Sprit - einen nennenswerten positiven Beitrag zur Klimabilanz. Das ist zum Beispiel in Güssing der Fall, wo die Herstellung von BtL-Diesel aus Holz mit einer Strom- und Wärmenutzung verbunden ist, und hohe Wirkungsgrade erreicht werden. Oder dort, wo Altstoffe (Tierfette, Speiseöle) verwendet werden. Und dort, wo das Eiweißfuttermittel das Hauptprodukt ist, und der Biosprit das Nebenprodukt. Ideal ist es, wenn der Traktor mit Pflanzenöl aus dem eigenen Anbau fährt – da werden Transportwege minimiert und regionale Kreisläufe geschlossen. (Dazu siehe LINK zu Energieautarker Bauernhof - Familie Löser)

Und das lässt sich auch mit biologischer Landwirtschaft vereinen: Wenn der Leindotter als Mischkultur in Getreide oder mit Körnerleguminosen angebaut wird, dann ist das der wahre „Bio“-Sprit.


Produktionsstillstand:
Übrigens, derzeit rechnet sich die Agrartreibstoffproduktion großteils auch für die Hersteller ökonomisch nicht mehr, da sich die Preise für die Rohstoffe - bei den 2 besuchten Anlagen ist das der Raps – innerhalb eines Jahres verdoppelt haben. Obwohl im Gegenzug auch die Produktpreise (Rapsöl, Agro-Diesel, Glycerin und Rapsschrot bzw. Rapskuchen) gestiegen sind, ist die Gewinnspanne drastisch geschrumpft. Aktuell sind beide Anlagen nicht in Betrieb. Geplant ist die Wiederinbetriebnahme im Frühling, wenn sich die Rohstoffmärkte wieder beruhigen.



mehr Informationen


Kontakt
Neuester Event
Letzte Presseaussendung
Neuester Download
Quicklinks
Suche


erweiterte Suche

    pirklhuber.at | DI Dr. Wolfgang Pirklhuber | Impressum | Suche | Sitemap | (c) 2007 agentur G+ | Flash Player installieren