EU-Kommissarin von Agrarlobby über den Tisch gezogen
Statt sozial-ökologische Neuausrichtung der Agrarpolitik setzt die EU weiter auf Großbetriebe
"Statt auf die Stärkung des Biolandbaus und der kleinbäuerlichen Strukturen setzt die EU auf die Beibehaltung eines agrarindustriellen Kurses. Die EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel konnte sich mit ihren Vorschlägen, die teilweise in die richtige Richtung gingen, gegenüber der Phalanx der Agrarminister, allen voran jener von Frankreich und Deutschland, nicht durchsetzen", kritisiert Wolfgang Pirklhuber, Landwirtschaftssprecher der Grünen, die nun vorliegenden Gesetzesentwürfe der EU-Kommission in Sachen Agrarpolitik.
Die im November 2007 ursprünglich vorgelegten Vorschläge zur Gesundheitsüberprüfung ("Health Check") der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sollten die globalen Herausforderungen Klimaschutz, Wassermanagement und Erhalt der Biodiversität in die gemeinsame Agrarpolitik integrieren. Die progressive Staffelung der Direktzahlungen sowie eine Erhöhung der Modulation und Umlenkung der Mittel in die ländliche Entwicklung waren darin noch vorgesehen. Damit sollten die finanziellen Leistungen wieder verstärkt an die Erbringung gesellschaftlich erwünschter Leistungen gebunden und vor allem der bäuerlichen Landwirtschaft zu Gute kommen.
"Die EU-Direktzahlungen der ersten Säule sind immer noch eng an den Besitz von Fläche gebunden, haben keinen Bezug zur Bereitstellung von Arbeitsplätzen und sind für Klein- und Mittelbetriebe wettbewerbsverzerrend. Ein Überblick über die Verteilung in der EU15 aus den jüngst veröffentlichen Zahlen der EU-Kommission ergibt, dass im Jahr 2005 insgesamt 22.290 Betriebe mehr als 100.000 Euro an Direktzahlungen erhalten haben. Damit bekamen 0,45% der Zahlungsempfänger 14,4% aller Direktzahlungen", informiert Pirklhuber.
Auch der österreichische Landwirtschaftsminister Josef Pröll ließ in den zentralen Fragen der Verteilungsgerechtigkeit die EU-Kommissarin im Stich. Eine regionale Bindung der Milcherzeugung in den Grünlandgebieten der Alpen durch eine Aufrechterhaltung der Milchquoten-Regelung ist ebenso wenig im Entwurf enthalten, wie eine höchst überfällige Korrektur bei den Agrosprit-Zielen. Jetzt besteht nur mehr die Chance, dass das EU-Parlament dem zahnlosen Entwurf die nötige Schärfe verleiht", argumentiert Pirklhuber.
"Die steigende Nachfrage nach gesunden Lebensmitteln und Energien bei gleichzeitiger weltweiter Verknappung der Rohstoffe, des fruchtbaren Ackerlandes und des Wassers, sowie die ansteigende Bedrohung durch den Klimawandel verlangen eine umgehende Neuausrichtung der europäischen Agrarpolitik. Die gesamte Produktionskette muss im Sinne ökologischer Effizienz und sozialer Verträglichkeit optimiert werden. Nutzlosen Risikotechnologien wie der Agro-Gentechnik ist eine klare Absage zu erteilen", fordert der Grün-Abgeordnete abschließend.
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