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Arbeit


Gruener Bericht 2016
13.10.2016

Typ
Rede

Kategorie
RSS Feed Agrarpolitik



Sitzung: 25. Gesetzgebungsperiode Nationalrat 148. Sitzung am 13.10.2016


Tagesordnungspunkt: Grüner Bericht 2016
Redezeit: 19.32 - 19.41.34


Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne)|: Ja, halb acht ist eine gute Zeit: „Zeit im Bild“. Die Frage ist, sich heute ein Bild über die Landwirtschaft zu machen. Was bedeutet das? Ich möchte den letzten Diskussionsbeitrag vom Kollegen Auer noch einmal beleuchten, um ein paar Dinge klarzustellen. Was du angesprochen hast, Kollege Auer, ist die ländliche Entwicklung. Ja, die ländliche Entwicklung, das sind nicht Agrarförderungen im engeren Sinn. (Abg. Auer: Das hat Jannach kritisiert im Antrag! Lest es!) Mir scheint es wichtig – in dem Punkt gebe ich dir nämlich recht (Abg. Auer: Lest den Antrag!) –, die Mittel der ländlichen Entwicklung gesondert darzustel­len. Was die einzelnen Landesräte bekommen, sind Mittel für den Naturschutz, die sie an Landwirte vergeben, die Naturschutzmaßnahmen durchführen. Damit das hier auch noch einmal klipp und klar gesagt ist. So viel einmal zur Klarstellung, was die Fakten betrifft. (Beifall bei Grünen und FPÖ.)


Meine Damen und Herren! Der Grüne Bericht ist eine Analyse der Struktur der österreichischen Landwirtschaft. Lassen Sie mich ein paar Eckzahlen nennen: Circa 166 000 land- und forstwirtschaftliche Betriebe haben wir noch. Davon wirtschaften 37 Prozent im Haupterwerb, 55 Prozent – also mehr als die Hälfte – im Nebenerwerb. Das ist eine wichtige Größenordnung, da sind viele Kleinbetriebe, von denen auch der Herr Bundeskanzler heute gesprochen hat. Das sind Betriebe, die – aus steuerlichen Gründen müsste man sie vielleicht als Liebhaberei bezeichnen – mit Herz und Seele Landwirtschaft betreiben, aber am Überleben gehindert werden. Sie werden daran gehindert, in der Landwirtschaft mehr als ein Standbein zu haben, weil die Agrarpolitik ungerecht ist, nämlich ungerecht in jeder Hinsicht, Kollege Auer! Du weißt das genauso gut wie deine Kolleginnen und Kollegen.


Warum? – Es gibt viele Betriebe im Berggebiet, die von vornherein geografisch be­nachteiligt sind. Wir haben im vierten Jahr hintereinander ein Minus bei den bäuer­lichen Einkommen. Wenn man die Zahlen der Statistik Austria konkret anschaut, Herr Kollege Auer, dann sind es seit 2011 Verluste je Arbeitskraft von 33 Prozent. Ein Drittel ihres Einkommens, ihrer Arbeitskraft haben diese Betriebe verloren. Ein Drittel, meine Damen und Herren! Das ist der Grund dafür, warum die Bäuerinnen und Bauern ganz einfach zornig sind. Sie sind wütend über eine Art von Politik, die sie nicht mehr mittragen können.


Sie können sie nicht mehr mittragen, Kollege Auer, und Sie sind mitverantwortlich, Sie von der ÖVP und vor allem Sie von der Landwirtschaftskammer, Kollege Schultes! Sie wären verantwortlich, die Interessenpolitik gerade für jene kleinen Betriebe zu machen, und die vermissen wir! (Beifall bei Grünen, FPÖ und Team Stronach.) Die vermissen wir seit Jahren. Hier im Plenum gibt es keine Positionierung für die vielen Kleinbe­triebe, die eben negative Ergebnisse haben. Schauen Sie es sich an, Sie brauchen nur die Seite 79 des Grünen Berichts aufzuschlagen! Auf dieser Seite 79 werden Sie erfahren, dass 25 Prozent aller land- und forstwirtschaftlichen Betriebe negative Ein­künfte haben. Ein Viertel hat negative Einkünfte!


Eines muss ich immer wieder dazusagen, denn das wissen die wenigsten: Bei den landwirtschaftlichen Einkünften sind die Sozialversicherungsbeiträge noch nicht abge­zogen. Das heißt, die Bauern, die negative Einkünfte haben, müssen dann noch Sozialversicherung leisten. Wenn man das berücksichtigt, ist mindestens ein Drittel der österreichischen landwirtschaftlichen Betriebe negativ im Betriebsergebnis. Meine Damen und Herren, das ist erschütternd. Das ist erschütternd!


Das ist auch der Grund dafür, warum der Herr Bundeskanzler, wenn er sich so eine Buchhaltung anschaut, zu Recht die Welt nicht mehr versteht. Wieso sollen solche Betriebe so hohe Sozialversicherungsbeiträge leisten, wenn sie im Nebenerwerb sind, wenn sie ihren Betrieb negativ führen müssen? – Kollege Auer, erklären Sie mir das! Kollege Schultes, sagen Sie, was Sie als oberster Vertreter der Landwirtschafts­kammern dagegen unternehmen! Was tun Sie für 33 Prozent der Betriebe, mindestens ein Drittel, die jetzt negative Betriebsergebnisse haben? Was tun Sie für sie?


Ja, Sie können den Kopf schütteln. Das ist aber die Frage der Bäuerinnen und Bauern, die sie sich tagtäglich stellen. (Beifall bei Grünen und Team Stronach.) Diese Frage stellen sie sich tagtäglich: Muss ich den Betrieb zusperren? Kann ich irgendwie eine Perspektive haben? Und wie soll das gehen, meine Damen und Herren, bei den Preisen im Milchsektor, bei der Preisentwicklung auf dem Schweinemarkt?


Dann bekommen die Betriebe in den letzten Wochen die Einheitswertbescheide zugestellt. Die neuen Einheitswertbescheide: Mindestens 40 Prozent der Betriebe haben deutliche Erhöhungen. Da muss man wissen: Ab nächstem Jahr zahlen sie dann auf Basis dieser neuen Einheitswertbescheide deutlich höhere Sozialversiche­rungsbeiträge! Und wissen Sie was? – Der Skandal ist, dass vor allem die Klein­betriebe deutlich mehr zahlen! Die zahlen die Zeche, die Kleinbetriebe werden wieder zur Kasse gebeten. Wer ist verantwortlich dafür? – Dort sitzt er: der oberste Vertreter der Landwirtschaftskammern, Kollege Schultes. Er ist der Präsident dieser Vereini­gung. (Beifall bei den Grünen.)


Wenn ein Arbeiterkammerpräsident so etwas vertreten würde, würde er mit einem nassen Fetzen von allen anderen Kammerpräsidenten weggejagt werden! So ist es. (Abg. Loacker: … Bank-Austrianer verraten!) Und worin besteht der Unterschied? – In dem ganz einfachen Tatbestand, dass ein Bundesarbeiterkammerpräsident gewählt ist, ein gewählter Repräsentant. Der oberste Vertreter der Landwirtschaftskammern ist kein von den Mitgliedern gewählter Präsident, sondern er wird im Rahmen eines Vereines gewählt. In diesem Verein sitzen auch zwei Vertreter des Raiffeisenkonzerns. Meine Damen und Herren, mit welcher Legitimation? Da können wir auch den Spar­kassenverein hineinsetzen oder sonst irgendeine Unternehmung, oder die Landespro­duktenhändler. Warum sitzen dort zwei Vertreter? Kollege Auer, du kennst dich mit der Raiffeisenorganisation aus, du bist ein Spezialist: Warum sitzen zwei Vertreter des Raiffeisenverbandes in der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern? Das ist die Frage, meine Damen und Herren, und da wird Politik auf dem Rücken der Bäuerinnen und Bauern gemacht!


Da bin ich jetzt bei dem Punkt, warum wir heute gegen diesen Bericht stimmen wer­den, der sonst gut ist. Auf Seite 126 lesen Sie dann nämlich über CETA, dass das ein tolles Abkommen ist. Ich glaube, ich höre nicht recht, ich lese nicht recht! Das kann doch nicht sein! Dieser Herr Minister hat sich auch vor einigen Tagen noch hingestellt und hat gesagt: Natürlich, Freihandel, wunderbar für die Landwirtschaft! Was soll denn das bedeuten, meine Damen und Herren? Fühlen Sie sich Ihren Bäuerinnen und Bauern verpflichtet oder der Industrie oder irgendeiner Exportwirtschaft? Das ist die Frage.


Es steht in diesem Grünen Bericht, das Vorsorgeprinzip sei positiv verankert worden. – Meine Damen und Herren, das ist falsch! Wenn etwas Falsches in einem Grünen Bericht steht, dann muss man dagegen aufstehen, auftreten und sagen: Herr Minister, das lassen wir Abgeordnete uns nicht gefallen, und das lassen sich vor allem auch die Bäuerinnen und Bauern nicht gefallen!


Meine Damen und Herren, Kollege Schultes, so geht’s nicht! (Abg. Brunner in Richtung ÖVP : Das ist euer Problem, dass ihr glaubt, das reicht …!) Sie können doch nicht gegen Ihre eigenen Mitglieder eine Position vertreten, die der Landwirtschaft nicht dient! Sagen Sie doch, warum Sie für CETA eintreten und was die Vorteile für die Bäuerinnen und Bauern sind! Die Bäuerinnen und Bauern sehen keine Vorteile in CETA – aber wirklich nicht! Wo sollen diese sein? Die 16 000 Tonnen, die wir mehr an Käse exportieren können? – Meine Damen und Herren, dem stehen auf der anderen Seite Zollfreikontingente für Kanada gegenüber: 100 000 Tonnen Weizen, 45 000 Ton­nen Rindfleisch und 75 000 Tonnen Schweinefleisch. Also bitte, die andere Waag­schale ist nicht einmal halbvoll! Das ist kein positives Ergebnis angesichts ange­spannter Märkte.


Die Bäuerinnen und Bauern haben überhaupt kein Interesse daran, auf dem Weltmarkt zu Schleuderpreisen zu vermarkten. (Präsident Hofer gibt das Glockenzeichen.) Ich bin gleich fertig, Herr Präsident. Man muss ja dazusagen: Zu welchen Preisen wird in Kanada produziert? – Schweinepreise minus 25 Prozent gegenüber dem europäischen Durchschnitt, Rindfleischpreise minus 35 Prozent gegenüber dem europäischen Durch­schnitt. – Das ist keine Option, meine Damen und Herren! Daher: Zurück an den Start! Eine Bundeslandwirtschaftskammer ja, aber eine demokratische. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Neubauer.)


 




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