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Arbeit


CETA und TTIP? Die Freihandelsabkommen der EU und ihrer Mitgliedstaaten mit Kanada und den USA
12.10.2016

Typ
Rede

Kategorie
RSS Feed Agrarpolitik



Sitzung: 25. Gesetzgebungsperiode Nationalrat 146. Sitzung am 12.10.2016


Tagesordnungspunkt: CETA und TTIP – Die Freihandelsabkommen der EU und ihrer Mitgliedstaaten mit Kanada und den USA
Redezeit: 15.23 - 15.34.28


Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne)|: Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Meine Damen und Herren! Kollegin Muttonen hat zu Recht auf die guten Expertisen hingewiesen, die wir bei der Enquete hatten. Tatsächlich war es letztlich ein Riesenerfolg der österreichischen Zivilgesellschaft, die – beginnend mit einer Petition, einer Bürgerinitiative – in den Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen gekom­men ist und dort bereits eine Enquete gefordert hat. (Abg. Kogler: Bravo!)


Einige Abgeordnete dieses Hauses haben das immer unterstützt, in allen möglichen Ausschüssen vorangetrieben und schlussendlich haben wir diese Enquete am 14. Sep­tember abgehalten. Herr Bundesminister, Sie waren ja auch anwesend. (Vizekanzler Mitterlehner: Nicht nur anwesend!) – Ja, Sie waren anwesend, haben auch ein State­ment abgegeben, keine Frage.


Ich möchte schon noch einmal hervorheben, was die Wirtschaftsexperten gesagt ha­ben. Professor Breuss vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung hat völlig klar festgehalten – ich zitiere aus dem Protokoll –: „Kanada öffnet sich für einen grö­ßeren Markt als umgekehrt! Und so, wie es immer ist, gewinnt ein Land, das sich für einen größeren Markt öffnet – in diesem Fall Kanada – mehr.“ – Punkt eins.


Punkt zwei: „Auch bei den nichttarifarischen Handelshemmnissen, also Normen et ce­tera, ist die EU stärker geschützt. Wenn man das jetzt abbaut, ist klar, dass natürlich das Land, das bisher stärker geschützt ist, weniger gewinnen wird – das heißt also, dass es höhere Importe haben wird – als umgekehrt.“


Meine Damen und Herren, das sagt ein Vertreter des WIFO bei der Enquete, kein grü­ner Experte, kein Umweltschützer, sondern ein Wirtschaftsexperte. Er hat auch klipp und klar gesagt: Das Wirtschaftswachstum, das hier generiert werden soll, ist mit der Lupe zu suchen, die Effekte sind gering. (Zwischenruf des Abg. Haubner.)


Kolleginnen und Kollegen haben schon angemerkt, Kollege Kogler hat das auch he­rausgearbeitet: Es geht primär um Regulierung, und daher – wenn es um Regulierung geht – geht es um die Frage: Wer wird wie und zu welchem Ziel, zu welchem Zweck reguliert? Das ist die Aufregung der Zivilgesellschaft, das ist die Aufregung in Europa. Das ist auch im Interesse der Demokratie und der Bürgerinnen und Bürger, dass wir da sehr, sehr genau hinschauen.


Herr Bundesminister! Eines verstehe ich wirklich nicht: Wenn Sie zum Abschluss Ihrer Stellungnahme, Ihres Redebeitrags heute sagen, dass die Befürchtungen, die da alle geschürt werden, in der Praxis nicht gerechtfertigt sein werden, dann weiß ich nicht, wo Sie die letzten drei, vier Jahre waren! Die Bürgerinnen und Bürger haben ganz explizit Belege für diese Sorgen. Stichwort eins: die enorme Zunahme der Zahl von Klagen von Konzernen gegenüber Staaten. Wir haben das auf und ab diskutiert. (Zwischenruf des Abg. Haubner. Zwischenbemerkung von Vizekanzler Mitterlehner.Das ist wahr, da gibt es Zahlen dazu. Es gibt inzwischen eigene Berufsgruppen im Finanzdienstleis­tungssektor, im juristischen Bereich, die sich auf den Streit, auf die Klagen gegenüber Staaten spezialisieren, um ihre Interessen durchzusetzen, denn das ist gewinnträchtig, Herr Minister. Da möchten die Bürgerinnen und Bürger nicht mitmachen, und wir als Ab­geordnete in diesem Haus auch nicht. (Beifall bei den Grünen.)


Würden Sie jetzt behaupten: Das steht ja doch nicht in CETA!, dann sage ich schon, es haben ExpertInnen auch bei der Enquete klar davon gesprochen, dass eine Art Neben­verfassung, ein Nebenverfassungsgericht entsteht. (Abg. Kogler: Richtig!) Ja, tatsäch­lich haben sie davon gesprochen, weil es völlig klar ist – und das hat Frau Professor Dr. Madner von der Wirtschaftsuniversität Wien gesagt –: „Ausländische Investoren be­kommen zwei Rechtswege, sie können sofort Schadenersatz fordern, sie müssen nicht erst die Rechtswidrigkeit feststellen lassen, wie das üblicherweise im nationalen, auch in unserem Rechtsschutzsystem der Fall ist.“ – Das ist eine klare Aussage einer Ex­pertin in dieser Enquete (Abg. Kogler: Bravo!) und eindeutig ein Hinweis darauf, dass es nicht mit rechten Dingen zugeht, was die Schiedsgerichte betrifft.


Schauen wir uns die Details an, Herr Minister, auch die Zusatzvereinbarung, werte Kol­leginnen und Kollegen: Da geht es nur darum, dass es eine Interpretation ist, kein Zu­satz zum Vertrag. Es spricht ja diese Erklärung selbst davon und die kanadische Han­delsministerin hat das in der Aussprache bestätigt: Die Regulierung in Artikel 8.9 sagt klar, es geht nur um legitime politische Ziele.


Da haben wir ja schon die erste große Herausforderung in Rechtsstreitigkeiten, wenn dann Schiedsgerichte entscheiden müssen, was ein legitimes politisches Ziel ist. Für die Konzerne muss sozusagen eine gerechte und billige Behandlung gewährleistet sein und sie müssen vor allem Schutz und volle Sicherheit genießen. Meine Damen und Herren, wie wird denn das gewährleistet? Wer interpretiert denn das? – Das ist ganz klar gere­gelt, in Artikel 26.2: Der Sonderausschuss für Dienstleistungen und Investitionen erar­beitet diesbezügliche Empfehlungen, die der gemischte CETA-Ausschuss dann beschlie­ßen muss.


Das heißt, die Empfehlung, was recht und billig ist, welche Behandlung ordnungsge­mäß ist und welche nicht, entscheidet wieder ein Gremium, in das die Konzerne einge­bunden und die Parlamente ausgeschlossen sind. Meine Damen und Herren, dieses Konstrukt ist abzulehnen.


Ich möchte daher an dieser Stelle selbstverständlich klarlegen: Es bleibt uns gar nichts anderes übrig – und ich würde mir erwarten, dass die Bundesregierung die Zeichen der Zeit erkennt –, hier muss mit einer Stimme gesprochen werden. Bundesregierung und Parlament müssen hier verhindern – das ist unsere Aufgabe –, dass dieser Vertrag jetzt unterschrieben wird, denn es gibt berechtigte Verbesserungsnotwendigkeiten.


Verbesserungsnotwendigkeiten heißen nicht, dass wir grundsätzlich jeden Vertrag ab­lehnen, dass wir die Zusammenarbeit mit Kanada in sozialen, in umweltpolitischen Be­reichen, in ökonomischen Bereichen ausschließen. Aber diese Art von Giftzähnen gilt es zu ziehen, und ich bringe daher folgenden Antrag ein:


Entschließungsantrag


der Abgeordneten Mag. Werner Kogler, Kolleginnen und Kollegen betreffend: CETA nicht unterzeichnen


Der Nationalrat wolle beschließen:


Die Bundesregierung wird aufgefordert, keinen Beschluss zur Unterzeichnung von CETA zu fassen und in den nächsten Monaten Nachbesserungen durchzusetzen, wie die Strei­chung der Schiedsgerichte, die Verankerung des Vorsorgeprinzips (nach Artikel 191 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union) und der Ausnahme der öffent­lichen Dienstleistungen aus dem Wirkungsbereich von CETA. Dafür gilt es, Allianzen mit anderen EU-Mitgliedstaaten zu bilden.


*****


Meine Damen und Herren, dieser Antrag wird hoffentlich von vielen Abgeordneten hier unterstützt.


Wenn Sie – von SPÖ und ÖVP – heute noch nicht bereit sind, zuzustimmen: Sie haben am Freitag im EU-Unterausschuss noch eine Chance, um zu einer bindenden Stellung­nahme zu kommen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit schon noch einmal auf die Stel­lungnahme der Bundesländer zurückkommen. Meine Damen und Herren, es ist doch bemerkenswert, dass es eine gemeinsame Stellungnahme aller Bundesländer gibt. (Abg. Kogler: Bravo!) Ich zitiere, der Kollege Kogler hat darauf schon hingewiesen: „Die Möglichkeit von Schiedsverfahren gegen Staaten (…) ist nicht vorzusehen.“ – Das be­sagt diese gemeinsame Stellungnahme aller Bundesländer.


Weiters heißt es unter Punkt e): „dem Abschluss von CETA und TTIP im Rat nicht zu­zustimmen“ – also CETA wird explizit erwähnt –, „solange nicht die Forderungen die­ses Beschlusses, der gleichzeitig als einheitliche Stellungnahme gemäß Art 23d Abs 2 B VG gilt, erfüllt sind.“


Meine Damen und Herren, das ist ein klarer Auftrag vonseiten der Länder an die Bun­desregierung. Wir hier im Parlament wären gut beraten, uns an die Seite der Länder zu stellen und diese notwendigen Verbesserungen und Veränderungen zu erzwingen. Ich sage „zu erzwingen“, denn das, was die Kommission versucht hat, ist auch klar: Sie hat versucht, dieses Abkommen als EU-only durchzuboxen, damit sie die alleinige Kompe­tenz hat, alle Entscheidungen zu treffen.


Das haben wir bisher schon verhindert, aber wir hatten noch nicht die Gelegenheit, die­se Giftzähne zu ziehen; das müssen wir mit einer gemeinsamen Anstrengung in Euro­pa versuchen. Da ist der Appell an den Bundeskanzler und auch an Sie zu richten: Schließen Sie sich zusammen, auch mit dem belgische Parlament, auch mit anderen Parlamenten! Auch die Diskussionen, die heute zu diesem Vertrag in Deutschland ge­führt werden, sind eminent, wesentlich zu führen. Jetzt sind Bündnisse zu schließen, um zu verhindern, dass vorab ein Vertrag unterschrieben wird, der zum Beispiel – und das ist mein konkretes Argument in der Sache selbst – zu folgenden Ergebnissen führt:


Im Bereich der Landwirtschaft: Sie haben erwähnt, dass die Kanadier so tolle Lebens­mittel produzieren. Meine Damen und Herren, Hormonfleischproduktion, Gentechnik in der Landwirtschaft, Einsatz von Hormonen wie Ractopamin et cetera bei Schweinezucht sind Standard in Kanada. Wo lebt der Herr Minister?


Die Preissituation bei Schweinen in den letzten acht bis neun Jahren: Die Produzenten in Kanada bekommen 60 Prozent weniger, bei Rindfleisch bekommen sie 25 Prozent we­niger. Also ich sage Ihnen, wenn wirklich die Zollkontingente für Rindfleisch um 46 000 Ton­nen erhöht werden, die Zollkontingente für Schweinefleisch auf 75 000 Tonnen, für Wei­zen auf 100 000 Tonnen erhöht werden, macht das bisschen, was wir bekommen ha­ben (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Mitterlehnerdie 16 000 Tonnen Käse, Herr Minister , das Kraut in dem Fall nicht fett.


Also es ist ganz einfach kein guter Deal, selbst auf dieser Ebene. Wenn dann der Herr Landwirtschaftsminister oder vielleicht der Kollege Schultes, wenn er dann drankommt, behaupten: Ja, aber wir haben doch die geografischen Ursprungsbezeichnungen durch­gesetzt! (Heiterkeit des Abg. Steinbichler.) – Ha, da kann ich nur lachen! Wissen Sie, was wir durchgesetzt haben? – Drei Begriffe: Das waren: Steirischer Kren (Abg. Lich­tenecker: „Steirischer Kren“?) – Steirischer Kren, gibt’s, ja –, Tiroler Speck – okay, da­hinter steht ein großes Unternehmen – und das Steirische Kürbiskernöl. Aber wissen Sie, was wir zum Beispiel nicht durchgesetzt haben? – Eine Erfolgsgeschichte im Milch­bereich: Heumilch, als traditionelle Spezialität in Österreich, in Europa. (Ruf bei der ÖVP: Die hat es noch gar nicht gegeben!)


Heumilchprodukte sind nicht geschützt, von 1 300 geschützten EU-Bezeichnungen (Zwi­schenbemerkung von Vizekanzler Mitterlehner) sind gerade einmal 148 geschützt wor­den. – Herr Bundesminister, das ist wirklich kein Erfolgsprojekt (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist ganz einfach schade, dass man da wirklich sagen muss, zurück an den Start oder zumindest: Giftzähne ziehen, jetzt gemeinsam Bündnisse schließen und die­sem Pakt keine Zustimmung geben! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)


 


 




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