Sitzung: 25. Gesetzgebungsperiode Nationalrat 128. Sitzung am 18.5.2016
Tagesordnungspunkt: Katastrophenfondsgesetz 1996 und Hagelversicherungs-Foerderungsgesetz Redezeit: 15.01 - 15.11.15
Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Bundesminister Rupprechter! Danke, dass Sie gekommen sind, um dieser Anfragebesprechung beizuwohnen, sprich, auch die notwendigen und ausführlichen Antworten zu geben.
Worum geht es, meine Damen und Herren? – Heute oder morgen ist einer der Schlüsseltage für die europäische Umweltpolitik. Auf europäischer Ebene tagt der Ständige Ausschuss, der, heute oder spätestens morgen, über die Zulassung oder die Neuzulassung, die Wiederzulassung von Glyphosat, dem weltweit am meisten verwendeten Pestizid, das unter dem Handelsnamen Roundup bekannter ist, entscheiden wird.
Herr Bundesminister, bevor wir in die Diskussion einsteigen, möchte ich Ihnen ganz zu Beginn die Frage stellen, ob Sie der Empfehlung der Salzburger Landesregierung entsprechend nachkommen werden. Der Salzburger Landtag hat einstimmig, meine Damen und Herren, einstimmig – auch mit Stimmen der ÖVP – Folgendes beschlossen – ich zitiere –: „Die Salzburger Landesregierung wird ersucht, an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft heranzutreten, sich auf EU-Ebene für ein Verbot glyphosathältiger Pflanzenschutzmittel einzusetzen.“
Das war ein bisschen zur Ausgangslage. Es ist aber nicht nur das Bundesland Salzburg, das solche Beschlüsse gefasst hat, meine Damen und Herren, sondern selbstverständlich auch das Bundesland Wien, nämlich auf unserer Initiative hin gemeinsam mit der SPÖ. Auch das Land Vorarlberg hat bereits einen ganz klaren, einstimmigen Beschluss zum Vorsorgeprinzip und zur Garantie des Vorsorgeprinzips gefasst, und der Kärntner Ausschuss für Nachhaltigkeit hat auch einstimmig das Verbot von Glyphosat gefordert. Das ist die aktuelle Faktenlage in Österreich und nicht uninteressant! (Beifall bei den Grünen.)
Am Rande: Wir haben natürlich auch Anträge hier im Nationalrat gestellt, die wurden aber leider von ÖVP und SPÖ bisher nur vertagt. Die liegen seit Monaten im Gesundheitsausschuss, wir hatten sie vor Kurzem im Landwirtschaftsausschuss, die wurden hier im Haus noch nicht endgültig beschlossen.
Aber, Herr Bundesminister, meine Frage an Sie war ja – betreffend die Anfrage, die wir an Sie gestellt haben, unter dem Titel „Glyphosat - (K)ein Gift auf unserem Acker“ –: Was werden Sie persönlich, was wird Ihr Ressort, was wird die AGES bis zu dieser Sitzung, die heute stattfindet, tun?
Heute und morgen findet die Sitzung des Ständigen Ausschusses statt, um die Neuzulassung oder Wiederzulassung von Glyphosat endgültig zu verhandeln. Und, meine Damen und Herren, was ist der Vorschlag der Kommission? – Der Vorschlag ist, die Zulassung um neun Jahre zu verlängern. Mehrere Länder sind dagegen – unter anderem Frankreich und die Niederlande –, in Deutschland gibt es momentan hohe innenpolitische Wellen, weil sich Deutschland wahrscheinlich letztlich auch enthalten wird, obwohl Deutschland das Land der Zulassungsbehörden ist.
Ihre Antworten auf unsere Fragen, Herr Bundesminister, sind völlig unzureichend, ausweichend, und zum Teil haben Sie überhaupt keine Antwort gegeben. Ich werde Ihnen jetzt einfach die Chance geben, hier heute noch einmal klarzulegen, was eigentlich die Position der österreichischen Bundesregierung ist, was eigentlich Ihre Position ist.
Auf Frage 13: „Werden Sie die Vertretung Österreichs im Ständigen Ausschuss anweisen, im Sinne des Vorsorgeprinzipes, gegen eine Zulassungsverlängerung von Glyphosat zu stimmen? (…) Wenn nein, weshalb nicht?“, haben Sie, Herr Bundesminister, mir wie folgt geantwortet: Österreich hat „eine schriftliche Stellungnahme an die Europäische Kommission übermittelt.“
Meine Damen und Herren: Wo ist die? Haben Sie die schon einmal gesehen? (Abg. Moser: Was steht da drinnen?) – Ich habe sie bis heute nicht gesehen. Ich habe sie auf der Homepage der AGES gesucht: keine Ahnung, keine Antwort, weder hier noch bei der Anfragebeantwortung. Sie verweisen auch nicht in irgendeiner Art und Weise auf dieses Schreiben. Sie haben es uns im Landwirtschaftsausschuss nicht zur Verfügung gestellt. Nirgendwo kann man diese Stellungnahme finden. Also was ist jetzt mit dem Interpellationsrecht?
Herr Minister, Nummer eins: Geben Sie dem Nationalrat ordentliche Antworten! Die Abgeordneten haben ein Rechte darauf; lösen Sie diese wertschätzende Pflicht als Minister auch ein! Das heißt: Geben Sie korrekte und ausführliche Antworten auf unsere Fragen!
Ein Punkt ist ja interessant, denn Sie sagen schon: „Sollten die Forderungen weiterhin nicht berücksichtigt werden, wird Österreich dem EK-Vorschlag“ – das heißt, dem Vorschlag der Europäischen Kommission – „nicht zustimmen können.“
Bis heute hat kein Abgeordneter dieses Schreiben erhalten (Abg. Moser: Wissen ja gar nicht einmal …!), wissen gar nicht einmal, was die Forderungen sind, die Sie wirklich gestellt haben. Sie hätten mit dieser Anfragebeantwortung die Möglichkeit gehabt, all das ausführlich darzulegen – und Sie enthalten das den Kolleginnen und Kollegen vor. Sie wissen: Anfragebesprechungen sind für das gesamte Haus da. Die dienen ja nicht zu meiner Information, sondern zur Information aller Abgeordneten dieses Hauses. Herr Minister, in Zukunft erwarte ich mir und in Ihrem Eigeninteresse ersuche ich Sie: Geben Sie ausführliche und vollständige Antworten!
Was ist das Problem bei Glyphosat? – Das Problem, meine Damen und Herren, ist, dass es darum geht, auch einmal im Interesse des Umweltschutzes, des KonsumentInnenschutzes und des Gesundheitsschutzes tatsächlich jenen die Stirn zu bieten, die uns unverdrossen kontaminieren, die uns Menschen mit Pestiziden kontaminieren. Monsanto und die Vertreter dieser Branche meinen doch ernsthaft – und selbst in Österreich –, dass es ein Recht der Konzerne gibt, Menschen mit Pestiziden zu kontaminieren.
Meine Damen und Herren, das ist so unglaublich, und ich würde mir einen Aufschrei der Konsumentenschützerinnen und Konsumentenschützer aufseiten der Sozialdemokraten erwarten. Ich weiß, zwei, drei Abgeordnete haben auch schon bei unselbständigen Anträgen mit uns mitgestimmt und haben uns auch persönlich mitgeteilt, dass sie Glyphosat nicht wollen, aber das ist zu wenig. Die österreichische Bevölkerung erwartet sich eine klare Antwort der Politik. Warum? – Gerade, wenn Unsicherheit besteht, gerade dann, wenn Unklarheit über die Auswirkungen von Giften besteht, dann muss die Politik klar Schiff machen, Herr Minister, und Antworten geben, nämlich politische Antworten.
Wie lautete Ihre Meinung aus ihrer ersten Wortmeldung dazu? – Das geht auch aus dieser Anfragebeantwortung hervor: Sie haben im März nach der ersten Entscheidung der Kommission und des Ausschusses ganz klar gesagt (der Redner liest neuerlich aus einem Schriftstück vor): „Das ist eine rein fachliche Beurteilung, die jetzt von den zuständigen Fachexperten wahrgenommen wird, da hat die politische Ebene eigentlich keine Vorgaben zu geben (…)“.
Ja, Herr Minister, wofür machen Sie eigentlich den Job als Umweltminister, wenn Sie sagen: Ich als Umweltminister gebe keine Vorgaben; das sollen Experten machen, wo immer die auch sind – teilweise möglicherweise in der AGES –; ich werde dazu keine persönliche Stellungnahme abgeben!
Herr Bundesminister, ich erinnere an Folgendes: Das Vorsorgeprinzip ist ein Grundprinzip im Bereich des Zulassungswesens auf der gesamten Ebene der Betriebsmittel in der Europäischen Union, es ist Teil der europäischen Verträge, es ist die Basis der europäischen Zulassung.
Wir sagen: Es darf erst etwas zugelassen werden, wenn es unbedenklich ist und nicht umgekehrt, wenn der Schaden schon da ist. Und das ist eine Situation, die unglaublich ist.
Keine Frage, es besteht ein großer wissenschaftlicher Streit. Warum? – Weil die Internationale Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation klar gesagt hat, dass es wahrscheinlich krebserregend ist. Und wenn eine internationale Institution sagt, dass es wahrscheinlich krebserregend ist, Herr Bundesminister, dann ist das Vorsorgeprinzip in Kraft zu setzen. Wenn noch dazu auch österreichische Studien vorliegen, die nachweisen können, dass Glyphosat massive Auswirkungen auf das Bodenleben und auf die biologische Vielfalt hat, also negativ im umweltpolitischen Sinn wirkt, wenn man weiß, dass es zu Fehlanwendungen im privaten Bereich kommt, meine Damen und Herren, dann ist es doch nur recht und billig und ganz im Sinne der politischen Verantwortung, Nein zu sagen.
Noch etwas: Der Vergleich macht uns sicher. Ich zitiere die heutige Aussendung der französischen Umweltministerin Marisol Touraine, die ganz klar sagt: „Le président de la République a dit très clairement lors (…) de la dernière conférence environnementale (…) que le glyphosate ne serait pas autorisé en France.“ (Bundesminister Rupprechter: J’ai pas compris!) – Vous n’avez pas compris? – Das ist Ihr Problem, Herr Minister, aber ich kann es gerne wiederholen: In Frankreich wird es angesichts dieser neuen Verhandlung im Ausschuss keine Zulassung geben. Frankreich wird aus gesundheitspolitischen Gründen Nein sagen, und zwar deshalb, weil es Glyphosat als hormonell wirksame Substanz einschätzt; und daher kann es keine Zulassung geben.
Meine Damen und Herren, das ist eine klare Stellungnahme Frankreichs. Ich würde mir von Ihnen genauso Klarheit wünschen, Herr Minister. Heute haben Sie noch einmal die Möglichkeit, all die Fragen, die Sie nicht beantwortet haben, ehrlich und offen zu beantworten, wie zum Beispiel meine Frage, wie Sie das einschätzen, dass 96 WissenschaftlerInnen weltweit an die EFSA herantreten (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen) – ich bin gleich fertig, Frau Präsidentin – und kritisieren, dass die Richtlinien der EFSA unzureichend sind. Sie haben keine Antwort gegeben, Sie haben sich nur auf die EFSA hinausgeredet. Sie haben heute noch einmal die Gelegenheit, Ihre Position darzulegen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)
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