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Arbeit


Gruener Bericht 2015
12.11.2015

Typ
Rede

Kategorie
RSS Feed Agrarpolitik



Sitzung: 25. Gesetzgebungsperiode Nationalrat 102. Sitzung am 12.11.2015


Tagesordnungspunkt: Grüner Bericht 2015
Redezeit: 10.31 - 10.42


Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Frau Präsidentin! Werte Kol­leginnen und Kollegen! Herr Bundesminister! Ich kann diesmal eigentlich nahtlos an die Rede des Kollegen Auer anschließen. Tatsächlich: Wir haben die größte Krise der Agrar­politik seit 1945! Die Realität zeigt und auch die Ausschussdiskussion haben gezeigt, dass die Probleme - Kollege Auer hat es gesagt - von den Praktikern gesehen und dar­gestellt werden, sie selbst aber keine Lösungen haben.


Gerade jetzt, werte Kolleginnen und Kollegen, ist daher die Agrarpolitik absolut gefor­dert. Der Weg, den Europa in der Agrarpolitik eingeschlagen hat, bedeutet eine konti­nuierliche Deregulierung, eine kontinuierliche Preisreduktion für die landwirtschaftli­chen Produzenten, wobei am Ende des Tages die Gewinner die großen Lebensmittel­konzerne sind - ob sie Nestlé, Unilever oder Danone heißen. Welche Markenhersteller es auch immer sind, sie versuchen dann, im internationalen Wettbewerb mit den billi­gen Rohstoffpreisen, die sie in Europa bei den Landwirten erzielen können, verstärkt in den Agrar- und Lebensmittelexport zu gehen.


Meine Damen und Herren! Das ist eine Sackgasse für die bäuerliche Landwirtschaft, und das ist die Herausforderung!


Herr Bundesminister, ich gebe Ihnen in einem völlig recht, nämlich: Sie schreiben im Vorwort dieses Grünen Berichts: „Der Grüne Bericht 2015 hilft uns, die größten He­rausforderungen (...) zu identifizieren."


Jawohl, da besteht Konsens! Tatsächlich: Der Grüne Bericht liefert die Voraussetzun­gen, um diese Analyse sauber und korrekt durchzuführen! Die Frage, die sich dann stellt, ist: Welche politischen Konsequenzen sind wir zu ziehen bereit, welche Auswer­tung dieser Analyse können wir vornehmen und welche Schlussfolgerungen daran knüp­fen?


Meine Damen und Herren, die Landwirtschaft ist einfach ein großes Arbeitskräftepoten­zial, ein Arbeitsmarktpotenzial, das ist Arbeitsmarkt im weiteren Sinne. Es sind auch Green Jobs, Zukunftsarbeitsplätze in diesem Bereich, von der erneuerbaren Energie bis hin zur hochwertigen Qualitätsproduktion, ob das in kleinen Biohofkäsereien ist, ob das in genossenschaftlichen Zusammenschlüssen ist, ob das in Erzeuger-Verbrau­cher-Initiativen ist, ob das auf Bauernmärkten passiert oder ob das in der Zusammen­arbeit mit den Tourismusbetrieben passiert - jawohl, enorm viel Potenzial und tatsäch­lich Green Jobs!


Wie sehen wir dann das, Herr Bundesminister: 166 000 Betriebe haben wir derzeit, da­von etwa 44 Prozent Bergbauernbetriebe - also sowieso Betriebe in Erschwernislage -, und in den letzten zehn Jahren haben wir eine Abnahme von 24 000 Betrieben. Ich weiß, Sie sagen: Das ist ja weniger als woanders! - Jawohl, aber solange wir diese Logik weiterverfolgen, geht es einfach weiter in den Betriebsabbau, in die Aufgabe der Landwirtschaft - und das kann kein Ziel der Agrarpolitik sein, Kollege Auer! Das ist die Herausforderung! Wo geht es denn weiter? In wie vielen Jahren, wenn wir das fort­schreiben, sind wir dann am Ende der Fahnenstange angelangt? Das ist die Frage, die sich für die Bäuerinnen und Bauern jetzt schon stellt: Wie soll ich, wenn ich weiter wachse, den Betrieb als Familienbetrieb bewirtschaften? Es ist einfach nicht mehr mög­lich, ich kann das gar nicht erarbeiten!


Korrekt ist, dass das Einkommen laufend sinkt; Kollege Auer hat darauf hingewiesen. Jetzt schauen wir uns die konkreten durchschnittlichen Zahlen einmal an! Land- und forstwirtschaftliche Einkünfte betrugen im Durchschnitt in Österreich 23 370 €. - Gut. Schauen wir uns an, was in diesen Einkünften enthalten ist. - Die öffentlichen Gelder! Durchschnittlich erhält ein Betrieb 17 000 €. Herr Kollege Auer hat es ja zu Recht gesagt: Ohne die öffentlichen Gelder ist die Landwirtschaft nicht führbar! Anteil der öf­fentlichen Gelder: 72 Prozent, nämlich 17 006 €. Wenn man das nun abzieht und sagt, man schaut sich einmal die Landwirtschaft an, wie das ohne öffentliche Gelder ist, wie rentabel sie ist, dann kommt man auf ein Ergebnis, auf ein durchschnittliches landwirt­schaftliches Ergebnis von 6 364 €. 6 000 € im Durchschnitt aller 166 000 Landwirtschafts­betriebe in Österreich! - Hm!


Und jetzt kommt die Überraschung: Die Sozialversicherungsbeiträge und die Einkom­mensteuer sind davon noch nicht abgezogen. Wenn wir diese hernehmen - durch­schnittlich 14 Prozent, wir können den Betrag von Seite 121 heranziehen - und 3 648 € abziehen, dann kommen wir ohne öffentliche Förderung auf ein durchschnittliches Ein­kommen von 2 716 € in Österreichs Landwirtschaft.


Diese Zahl, meine Damen und Herren, muss man sich wirklich einmal auf der Zunge zergehen lassen, wenn man über die öffentlichen Gelder im agrarischen Bereich und über die Zielgenauigkeit dieser Agrarpolitik diskutiert!


Das ist ein Durchschnittswert. Jetzt können Sie sagen: Ja, das kann es ja nicht sein! - Richtig, es gibt natürlich Betriebe, die tatsächlich noch Geld in der Landwirtschaft verdienen, und Betriebe, die tatsächlich in der Landwirtschaft draufzahlen - Haupterwerbs­betriebe, Nebenerwerbsbetriebe; Kollege Riemer hat es auch schon erwähnt. Wir ha­ben etwa 55 Prozent Nebenerwerbsbetriebe. Doppelt so hohe Erlöse erwirtschaften land- und forstwirtschaftliche Betriebe, die nur von der Landwirtschaft leben, die Ne­benerwerbsbetriebe haben ein Fünftel davon, und 20,5 Prozent der Betriebe haben ne­gative Einkünfte - es ist ein negatives Betriebsergebnis!


Das ist einfach die Situation, meine Damen und Herren, daher möchte ich in der Con­clusio auf meinen Antrag zurückkommen. Wir haben aus diesem Grund gefordert, dass die kleinsten Betriebe, die ersten 30 Hektar besser gefördert werden - das wäre jetzt die agrarpolitische Antwort; das ist eine Antwort.


Die zweite Antwort, Kollege Auer, wäre gewesen: Preise für Agrarprodukte müssen die Produktionskosten besser decken. Das können wir nur dann erreichen, wenn wir Preis­transparenz herstellen - und da haben Sie meine Unterstützung! Wenn wir in den Un­terausschüssen diese Strategie wählen, werden Sie die Unterstützung der Grünen ha­ben.


Ja, das will auch der Konsument! Wenn der Konsument einen Liter Biomilch im Ge­schäft kauft, will er auch wissen, welcher Anteil von diesem Geld, das er dort für die Milch abgibt, beim Landwirt, beim Bauern, bei der Bäuerin ankommt. Das ist die He­rausforderung, die wir zu bewältigen haben!


Wenn Sie sagen: Wachsen ist die Devise!, dann sage ich: Im Grünen Bericht ist eine Analyse über die Milchbauern mit mehr als 50 Kühen drinnen. Was sagen diese Bau­ern? - 80 Prozent: Risiko hat sich erhöht!, 80 Prozent: mehr psychische Belastung!, 66 Prozent: weniger Freizeit! Das alles steht im Grünen Bericht. Wenn das eine Stra­tegie der Zukunft wird, dann sage ich: Gute Nacht, österreichische Landwirtschaft!


Dann kommen wir zur großen Zukunftsstrategie Bio: Biolandbau, Bioeinstieg - Stopp 2009. Die Zahl der geförderten Betriebe hat seit 2010 um 1 000 abgenommen. Wir ha­ben 20 750 gefördert, 1 000 weniger als vier Jahre vorher. Die Fläche der geförderten Biobetriebe inklusive Almen hat um 14 000 Hektar abgenommen. - Und Sie, Herr Mi­nister, haben vor Kurzem einen Bioaktionsplan vorgelegt, der völlig unambitioniert ist. Sie reden dort davon, dass 20 Prozent Fläche erreicht werden sollen. - Ich kann Ihnen mithilfe dieses Grünen Berichts vorrechnen: Von 2,4 Millionen Hektar sind 524 000 Hektar landwirtschaftliche Fläche im ÖPUL - genau 21,6 Prozent der Fläche. Wir haben das Ziel längst erreicht - und Sie legen einen Retrobeitrag vor, was die Zukunft der Land­wirtschaft betrifft!


Der Biobereich ist eine Chance - um den Biomilchpreis herzunehmen -: 58 Cent wer­den derzeit in Deutschland für Biomilch gezahlt; der Preis für konventionelle Milch liegt bei der Hälfte, knapp 30 Cent.


Sie müssen sich vorstellen, der Markt ist völlig aufnahmebereit; das sagen alle Molke­reien in Österreich. Und Sie sagen: Na, ein bisschen, weitertun so wie bisher! Also ja nicht zu viel machen für den Biolandwirt. - Das kann keine agrarpolitische Antwort sein, das ist eine völlig defensive Strategie und eine Strategie, die bäuerliche Arbeits­plätze kosten wird!


Als Umweltminister - nämlich als Agrar- und Umweltminister -, wie ist da Ihre Bilanz? Zum Thema Wasser, zur Frage der Schwellenwertüberschreitungen bei Wasser: 208 von 1 970 Messstellen haben eine Überschreitung des Schwellenwerts von 45 Milli­gramm. Vor sieben Jahren, 2007, war es genau derselbe Betrag, genau dieselbe Pro­zentzahl: 10,6 Prozent aller Messstellen sind belastet, nichts ist weitergegangen!


Zum Bereich Pestizid-Strategie: Wir haben eine offensive Pestizidreduktionsstrategie, es gibt einen Nationalen Aktionsplan. Wie viele Pestizide haben wir zugelassen? - 2011 573, 2014 1 099; das ist fast eine Verdoppelung der Zulassungen von Pestiziden. Die Zahl der Anwendungen von Pestiziden ist etwa bei 3 400 Tonnen jährlich konstant gleich - auch da kein Fortschritt, Herr Bundesminister! Und dann, das muss ich schon sagen, fragt man sich, wie ein Umweltminister glauben kann, wenn er sich ab und zu hinstellt und mit der grünen Füllfeder unterschreibt, dass deswegen die Politik grün ist.


Ja, ja, der Julius Raab würde sich im Grab umdrehen, wenn er sehen würde, wie da sei­ne ursprüngliche Intention einer grünen Entwicklung, einer nachhaltigen ökologischen Entwicklung von Ihnen konterkariert wird. In diesem Punkt, Herr Minister, sind wir kri­tisch.


Wenn es darum geht, Kollege Auer, wirklich Transparenz auf dem Agrarmarkt herzu­stellen, werden Sie unsere Zustimmung haben - aber nur dann, wenn Sie auch den Weg der Zukunftsstrategien für die Agrarpolitik, für die Landwirtschaft, nämlich eine ech­te Offensive für die biologische Produktion auf der ganzen Länge und Breite, vom Milch­sektor bis zum Schweinesektor, denn die Märkte sind offen, auch wirklich ernsthaft be­schreiten wollen. Dann haben Sie unsere Unterstützung! - Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)


 


 




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