Sitzung: 25. Gesetzgebungsperiode Nationalrat 59. Sitzung am 21.01.2015
Tagesordnungspunkt: TTIP-Verhandlungen: Doppelspiel der Bundesregierung beenden - Nationalratsbeschluss umsetzen Redezeit: 11.11 - 11.16
Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Galerie! Herr Bundeskanzler! Werte Kolleginnen und Kollegen! Eines, was Sie hier vom Rednerpult aus gesagt haben, Herr Bundeskanzler, möchte ich aufgreifen, nämlich dass es eigentlich darum ginge, ökologische und soziale Standards zu stärken.
Ja, das ist auch die Erwartungshaltung der europäischen Bürgerinnen und Bürger, aber was ist denn in den letzten Jahren die Realität gewesen? Woran sind denn die großen internationalen WTO-Verhandlungen gescheitert? - Genau an diesem Punkt, bei dem es nämlich um die Qualität der Arbeitsplätze, um die Qualität der Umwelt, um die Qualität der Lebenszusammenhänge in unseren Staaten geht. An diesem Punkt haben sich die Meinungen und die Interessenlagen gespalten. Das ist auch einer der Kernpunkte unserer Kritik an den derzeitigen Verhandlungen.
Ein Freihandelsabkommen ist kein Abkommen zur Erhöhung der Standards im Ökologiebereich, im Arbeitsrecht oder sonst wo. Ein Freihandelsabkommen dient zum Abbau von Zöllen oder auch von Hemmnissen, wie Kollege Kogler richtig gesagt hat. Wenn ein Autospiegel von einem Industriekonzern in Europa anders produziert werden muss als in den USA, das in der Sache aber nicht gerechtfertigt ist, dann macht das keinen Sinn. Das können wir auch verstehen und akzeptieren. Wenn aber Agrarkonzerne, ob das Monsanto, Cargill, ADM und alle anderen sind oder die größten Saatgutproduzenten wie DuPont, ein gemischter Chemiekonzern und Pharmakonzern, oder die Lebensmittelindustrie der amerikanischen Staaten, nämlich Walmart, um ein Beispiel zu nehmen, oder die großen Suppenhersteller ihre Produkte in Europa auf den Markt bringen wollen, was müssten sie dafür tun?! - Sie müssen auf amerikanischer Seite, bei ihrer Regierung, lobbyieren, und sie sind auch im Beraterstab von Präsidenten Obama. In diesem Beraterstab von knapp 600 ExpertInnen sind 80 Prozent Industrievertreterinnen und -vertreter, und die müssen lobbyieren, dass die Standards bei diesen Verhandlungen in Europa nach unten gehen. (Zwischenruf des Abg. Rädler.) Das ist ihr Ziel, ihr politisch-strategisches Ziel. Das ist doch vollkommen klar! Das wissen die Menschen in Europa, und das wissen auch die Menschen in Österreich.
Die Zahlen sprechen für sich. Wie sieht denn die Handelsbilanz zwischen den USA und Europa derzeit aus? - Wir importieren jährlich Güter im Wert von 200 Milliarden € aus den USA, und im Wert von knapp 300 Milliarden € - vorwiegend Industriegüter - exportieren wir. Das heißt, es gibt derzeit für Europa eine positive Bilanz des Handelsaustauschvolumens.
Jetzt kommen wir zu den europäischen Interessenvertretern. Natürlich, die europäische Industrie, nämlich vor allem die Automobilindustrie, ist ganz vorne bei TTIP, die will das unbedingt. Da verstehe ich Kollegen Auer nicht. Wenn ich weiß, dass der Agrargüter-Austausch mit den USA gerade einmal 6,5 Prozent beträgt, dann verstehe ich nicht, dass der Raiffeisenverband in Österreich und die europäischen Bauernverbände plötzlich anfangen, sich für TTIP auszusprechen, dass der Bauernbund jetzt hinter dem Wirtschaftsbund nachhechelt und sagt, dass das Chancen sind und man da etwas erreichen könnte, damit man auch Blauschimmelkäse in die USA exportieren könnte.
Meine Damen und Herren, das ist hanebüchen und völlig unverständlich. Es ist unglaubwürdig, Kolleginnen und Kollegen von der ÖVP. Man kann sich bei solch einer Verhandlung nicht die Rosinen aus dem Kuchen picken. Das wird nicht funktionieren, das wird nicht aufgehen. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Steinbichler. - Zwischenruf des Abg. Rädler.)
Herr Bundeskanzler, der innereuropäische Handel ist das Zehnfache vom Austausch zwischen den USA und Europa, und ich meine, es wäre klug, eine europäische Arbeitsmarktpolitik voranzustellen, die wirtschaftliche Integration in Europa voranzutreiben, vor allem zur Stärkung von Arbeitsplätzen. Wir haben die größte Krise am Arbeitsmarkt in Europa nach 1945 - dafür brauchen wir Lösungen! Das ist die Aufgabe der Europäischen Kommission und nicht, sich von den Konzernen einspannen zu lassen, um die Standards runterzufahren - auf Kosten unserer Landwirtschaft, auf Kosten unserer Konsumentinnen und Konsumenten. (Beifall bei Grünen, FPÖ und Team Stronach.)
Nennen wir einige Beispiele, damit wir Klartext reden!
Die amerikanische Fleischindustrie: Man hat die Förderbänder so beschleunigt, dass im amerikanischen Fleischbereich tatsächlich eine Vielzahl von Desinfektionsmitteln angewandt werden muss, damit dieses Verfahren überhaupt technisch möglich ist. Die ArbeitnehmerInnen werden krank dabei. Das sind Peroxysäuren, die hoch aggressiv sind und die Atemwege massiv angreifen.
Sie verwenden Leistungsförderer wie Ractopamin (Präsident Hofer gibt das Glockenzeichen) - auch das nicht zugelassen.
Antibiotika, Klonfleisch, Gentechniklebensmittel ohne Kennzeichnung - das ist US-amerikanischer Markt, das wollen unsere KonsumentInnen nicht. Daher heißt es jetzt, TTIP stoppen, solange nicht klar ist, wohin der Weg geht, und für unsere Verbraucherinnen und Verbraucher einfach kämpfen! - Danke schön. (Beifall bei Grünen und FPÖ.)
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