Sitzung: 25. Gesetzgebungsperiode Nationalrat 41. Sitzung am 24.9.2014
Tagesordnungspunkt: Dringl. Anfr. der Abg. Mag. Kogler, K&K an den BM für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betr. Fairer Handel statt Konzernjustiz - Regierungsspitze mit Doppelspiel Redezeit: 17.13 - 17.20
Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ja, der Titel der heutigen Dringlichen ist punktgenau an der richtigen Stelle. „Fairer Handel statt Konzernjustiz". - Ja, das ist das Thema. Das ist kein Thema, das irgendwo geschieht, sondern das ist das brennende Thema der europäischen Wirtschaftspolitik und der Zukunftsstrategien. Da scheiden sich die Geister. Das haben wir jetzt beim Kollegen Hable gesehen. (Beifall bei den Grünen.)
Kollege Auer ist jetzt nicht da, er war der Einzige, der den Begriff des fairen Handels noch einmal in den Mund genommen hat. Aber genau das ist die Begrifflichkeit, mit der man das ansehen muss. Ich zitiere hier Joseph Stiglitz, der genau zu diesem Thema ganz klare Aussagen gemacht hat, nämlich: Der Freihandel alleine ist keine Voraussetzung für Wohlstand. Es braucht auch Rahmenbedingungen.
Das sagt ein US-Ökonom, der lange bei der Weltbank war, der gesehen hat, was mit einer - unter Anführungszeichen - „überzogenen Konzernpolitik" geschieht, wo man Entwicklungsländer unter dem Diktat des sogenannten Freihandels in die Knie gezwungen hat, Bedingungen anzunehmen, die dann dazu geführt haben, dass ganze Sektoren ausgehöhlt, privatisiert und zerstört wurden. Das ist die Realität. Nicht nur der Regenwald, auch die Menschen zahlen drauf. (Beifall bei den Grünen. - Abg. Kogler: Richtig! Ja! Ausbeutung!)
Und das ist der Grund dafür, warum wir das dringlich behandeln. Das sind einfach die Herausforderung und die Frage. CETA ist, wenn es durchgesetzt wird, das Trojanische Pferd, mit dem die US-Konzerne die europäischen Standards aushöhlen werden. (Demonstrativer Beifall der Abgeordneten Riemer und Hübner.) Wir werden das gemeinsam mit der europäischen Zivilbevölkerung, auch mit den ArbeitnehmerInnenvertretern angehen. Ich hoffe sehr wohl, dass hier auch die Gewerkschaften gemeinsam mit den Grünen gegen eine Politik marschieren werden, die an den Bürgern vorbeigeht. (Abg. Königsberger-Ludwig: Umgekehrt! - Abg. Rädler: Das könnt ihr gut!) Und marschieren werden wir voraussichtlich müssen, weil die EU-Kommission bisher nicht bereit war, die Bürgerinnen und Bürger ernst zu nehmen.
Wenn man eine Europäische Bürgerinitiative zu TTIP mit dem Argument nicht zulässt, dass es hier nicht um eine europäische Gesetzgebung gehe, dann sage ich, das ist zynisch. Das ist schlichtweg zynisch, weil diese Verhandlungen sehr wohl - und das wissen alle Expertinnen und Experten - Auswirkungen auf die europäischen Gesetze und Standards haben werden. Das ist einer der Punkte, die man ganz klar vorausschicken muss. Da braucht es eine starke Bundesregierung und vor allem ein starkes Parlament, das hier mit einer klaren Stimme sagt: So kann es nicht gehen, werte Kommission. Das geht auch an die neuen Kommissarinnen und Kommissare. Das ist die Botschaft, die wir gemeinsam hier vom Parlament aus senden müssen.
Nun einige Fakten, weil es immer geheißen hat, Kollege Strolz, wir wüssten nicht, was Sache ist. Schauen Sie sich das an! Wie sieht es im Außenhandel aus? Der Anteil des Außenhandels der EU-27 mit den USA hat sich seit dem Jahr 1999 wie folgt entwickelt: Die Importe waren 1999 bei 22,3 Prozent. Die Gesamtimporte sind bis 2012 auf 11,5 Prozent halbiert worden. Die Gesamtexporte gingen in dieser Zeitspanne von 27,4 Prozent auf 17,3 Prozent zurück.
Warum ist das passiert? - Ganz einfache Erklärung: Das ist der südostasiatische Raum, auch die Integration von Russland in den Welthandel. Die Europäische Union hat einen ganz massiven Austausch mit diesen Regionen. Der Handel, der internationale Handel hat sich massiv verbreitert. (Abg. Strolz: Was ist die Conclusio?) - So, das ist die eine Faktenlage, Kollege Strolz.
Und die zweite Faktenlage ist mindestens so wichtig. Der tatsächliche Außenhandel - und das war das, was ich dem Kollegen Auer ins Stammbuch geschrieben hätte, als er sagte, seine kleinen Firmen exportieren zu 75 Prozent. - Ja, aber wohin denn, bitte? Das ist innereuropäischer Handel. Der innereuropäische Außenhandel ist zehn Mal so groß - zehn Mal so groß! - wie der Handel mit den USA. (Abg. Strolz: Das ist alles klar! Die Conclusio fehlt!) Das sind Fakten, und die sollte man sehen.
Daher ist die Frage, die sich mir auch stellt, folgende: Wie sieht es mit den Beschäftigungseffekten aus? Wie sieht es aus? Deutsche Institute, das Institut für Marktforschung - was sagen sie? Wachstumseffekte des TTIP jährlich zwischen 0,03 und 0,04 Prozent in der Prognose, und wahrscheinlich werden erst in zehn bis zwanzig Jahren die Auswirkungen überhaupt feststellbar sein. (Abg. Strolz: Wissen Sie, wie viele Zehntausende Jugendliche keinen Job bekommen in Europa?) - Wissen Sie, Kollege Strolz, nur ist es so: Wenn ich (Abg. Strolz: Was machen wir gegen die Jugendarbeitslosigkeit?) - Sicher brauchen wir ein Konzept gegen die Jugendarbeitslosigkeit, Herr Kollege Strolz. (Abg. Strolz: Neues Biedermeier?!) Aber dazu braucht es eine europäische Wirtschaftspolitik, die die Regionalwirtschaft stärkt, die die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten stärkt. Und das ist ein anderes Konzept: fairen Handel, der auch soziale Standards berücksichtigt, der auch ökologische Standards weiterentwickelt, der eine nachhaltige, ressourceneffiziente Ökonomie in Europa weiterentwickelt. Das ist ein grünes Konzept. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Strolz.) Das ist Green Economy, Kollege Strolz. Green Economy! Und die werden wir umsetzen, da können Sie sich sicher sein. (Beifall bei den Grünen.)
Eines zum Herrn Vizekanzler, zum Wirtschaftsminister, weil er gesagt hat, er hätte dieselbe Meinung, da wäre kein Blatt zwischen ihm und dem Bundeskanzler. Ich zitiere aus einer Anfragebeantwortung vom Juni 2014: „Investitionsschutz und investor-state dispute settlements () machen grundsätzlich auch in Abkommen mit Ländern mit entwickeltem Rechtssystem Sinn." (Abg. Kogler: Genau! Das Gegenteil vom Kanzler! Lauter Schmähführer! Sagen Sie etwas, Herr Staatssekretär!)
Das sagt er, der Herr Wirtschaftsminister. Das sagt er in einer Anfragebeantwortung. Und das ist diametral entgegengesetzt zu dem, was der Kanzler sagt. (Abg. Kogler: Das ist eine Sauerei von der Regierungsbank!)
Ich bringe folgenden Antrag ein:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Mag. Kogler, Dipl.-Ing. Dr. Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend CETA-TTIP - keine Sonderklagsrechte für Konzerne
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Vertreter der EU auf dem kommenden EU-Kanada-Gipfel (noch)EU-Ratspräsident Hermann Van Rompuy und (noch)EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso
in Kenntnis zu setzen, dass es sich aus Sicht Österreichs bei dem Anfang August übermittelten CETA-Vertragsentwurf um ein gemischtes Abkommen handelt, das demnach vom österreichischen Nationalrat zu ratifizieren wäre,
in Kenntnis zu setzen, dass der CETA-Vertragsentwurf - unter anderem aufgrund der darin enthaltenen Sonderklagsrechte - vom österreichischen Nationalrat abgelehnt wird,
in Kenntnis zu setzen, dass der Vertreter Österreichs im Rat der EU den vorliegenden CETA-Vertragsentwurf ablehnen wird,
aufzufordern, die Vertreter Kanadas darüber zu informieren.
*****
Das ist ein Gebot der Stunde, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen.)
Präsident Karlheinz Kopf: Der soeben von Herrn Abgeordnetem Pirklhuber eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.
Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:
Entschließungsantrag
der Abgeordneten Werner Kogler, Wolfgang Pirklhuber, Freundinnen und Freunde betreffend CETA-TTIP - Keine Sonderklagsrechte für Konzerne
eingebracht im Zuge der Debatte über die Dringliche Anfrage "Fairer Handel statt Konzernjustiz - Regierungsspitze mit Doppelspiel"
Begründung
Am 5. August 2014 legte die Europäische Kommission den EU-Mitgliedstaaten den vorläufig ausverhandelten Vertragstext über ein Handelsabkommen der EU mit Kanada (CETA) vor. Darin vorgesehen sind u.a. Investorenschutz-Klauseln, die Konzernen Sonderklagsrechte gegen Staaten einräumen. Ausländische Unternehmen sollen die Möglichkeit erhalten, Staaten vor Schiedsgerichten zu verklagen, wenn sie der Meinung sind, dass Änderungen der Umwelt-, Verbraucher-, Arbeitsschutzstandards etc. ihre erwarteten zukünftigen Gewinne schmälern. Sollten die Sonderklagsrechte in CETA verankert werden, so gilt diese Tatsache als Blaupause für TTIP, das derzeit verhandelte EU-USA-Handelsabkommen. Da sowohl die EU als auch Kanada und die USA über hochentwickelte Justizsysteme verfügen, besteht keine Notwendigkeit für eine Sondergerichtsbarkeit.
In der Bevölkerung gibt es massive Bedenken gegen die geplanten internationalen Handelsabkommen der EU, die Bundeskanzler Werner Faymann dem designierten EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker in Bezug auf TTIP mitgeteilt hat. So wird Bundeskanzler Faymann am 9.8. und 11.8. wie folgt in der Kronenzeitung zitiert: "Ich habe unsere Anliegen und auch unsere Bedenken bei Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker persönlich vorgebracht. Er hat ein offenes Ohr für all diese Sorgen gezeigt."
Auf dem bevorstehenden Gipfeltreffen zwischen EU und Kanada am 25./26.9.2014 soll voraussichtlich der vorläufige Abschluss der CETA-Verhandlungen bekannt gegeben werden. Im Vorfeld geht es darum, dass die Bundesregierung auf europäischer Ebene unmissverständlich klar legt, dass es - im Sinne der Aussagen von Bundeskanzler Faymann - in Österreich schwerwiegende Bedenken gegenüber den Freihandelsabkommen der EU gibt. Auf dem bevorstehenden EU-Kanada-Gipfeltreffen sollen die Vertreter der EU die Vertreter Kanadas darüber informieren, dass die Sonderklagsrechte innerhalb der EU-Mitgliedstaaten äußerst umstritten sind und zumindest in Österreich abgelehnt werden.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag:
Der Nationalrat wolle beschließen:
"Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Vertreter der EU auf dem kommenden EU-Kanada-Gipfel, (noch) EU-Ratspräsident Hermann Van Rompuy und (noch) EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso, in Kenntnis zu setzen, dass es sich aus Sicht Österreichs bei dem Anfang August übermittelten CETA-Vertragsentwurf um ein gemischtes Abkommen handelt, dass demnach vom österreichischen Nationalrat zu ratifizieren wäre,
in Kenntnis zu setzen, dass der CETA-Vertragsentwurf - unter anderem aufgrund der darin enthaltenen Sonderklagsrechte - vom österreichischen Nationalrat abgelehnt wird,
in Kenntnis zu setzen, dass der Vertreter Österreichs im Rat der EU den vorliegende CETA-Vertragsentwurf ablehnen wird,
aufzufordern, die Vertreter Kanadas darüber zu informieren.
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