Österreichs Gentechnik-Politik in Gefahr
Entscheidung der EU-Kommission bedroht Importverbot
Fallen die österreichischen Gentechnik-Importverbote endgültig?
Am 30. Oktober 2007 wurde im EU-Umweltministerrat über die österreichischen Importverbote für die Gentechnik-Maislinien MON810 (Monsanto) und T25 (Bayer) abgestimmt. Die nötige qualifizierte Mehrheit für oder gegen die Abschaffung der österreichischen Importverbote kam nicht zustande (Abstimmungsergebnis: 15 EU-Länder mit insgesamt 191 Stimmen haben für die österreichische Position votiert; für den Kommissionsvorschlag stimmten vier Länder mit 56 Stimmen, 8 Länder haben sich der Stimme enthalten; für eine qualifizierte Mehrheit wären 255 Stimmen notwendig gewesen).
Damit kann die Kommission nun selbst über die Teilaufhebung (aufgehoben werden soll das Importverbot als Nahrungs- und Futtermittel, der Import von Saatgut soll vorerst weiter verboten bleiben) des Importverbotes entscheiden. Die Hauptursache für den Druck der EU-Kommission nach Aufhebung der Importverbote ist der Schiedsspruch der WTO, wonach diese bis spätestens 21.11.2007 aufzuheben sind, ansonsten drohen beträchtliche Strafzölle. Die Sprecherin von EU-Umweltkommissar Stavros Dimas kündigte bereits an, dass die Entscheidung noch vor dem 21. November fallen werde. BM Pröll kündigte in einer Aussendung an, bis 20. November eine Studie mit neuen wissenschaftlichen Argumenten vorzulegen.
Wissenschaftlich fundierte Risikobewertung fehlt
Die WTO gab im Gentechnik-Streitschlichtungsverfahren zwischen der EU und den Klägern USA, Kanada und Argentinien ihren Endbericht heraus. Ergebnis: Die österreichischen Verbote für die Maissorten MON810 und T25 sind nicht WTO-konform, da sie keinem Risk-Assessment nach dem SPS-Abkommen (Abkommen über sanitäre und phytosanitäre Maßnahmen) unterzogen wurden. Die von der EU vorgelegten Begründungen akzeptierte die WTO jedoch nicht.
Anstatt eine wissenschaftlich fundierte Risikobewertung zu etablieren, um Importverbote ausreichend begründen zu können, überlässt die EU die wissenschaftliche Bewertung der Agro-Gentechnik-Produkte der Europäischen Lebensmittelagentur EFSA. Diese orientiert sich fast ausschließlich an den Angaben der Gentechnik-Industrie. Auch in Österreich war man bisher nicht in der Lage, eine Gentechnik-Risikoforschung mit entsprechenden Ressourcen auszustatten, um die Importverbote wissenschaftlich zu untermauern.
Warum müssen die Importverbote eisern verteidigt werden?
Der Gentechnik-Mais MON810 ist derart verändert, dass er selbst ein Insektengift (Bt-Toxin) gegen den „Maiszünsler“ produziert. Studien belegen negative Auswirkungen auf Nicht-Zielorganismen (z.B. andere Insekten) und die Gefahr der Resistenzentwicklung bei Zielorganismen. Neben Österreich haben auch Polen, Ungarn und Griechenland den Anbau dieser Maissorte verboten. In Frankreich und Rumänien wird derzeit öffentlich über ein Verbot diskutiert.
T25 ist eine gentechnisch veränderte Maissorte, die gegen das Spritzmittel Glufosat-Ammonium (ein Totalherbizid) beständig ist. Eine US-Langzeitstudie hat u.a. gezeigt, dass der Anbau von T25 Mais zur Ausbildung herbizidresistenter Unkräuter, zu erhöhtem Spritzmitteleinsatz und zur Ausrottung gefährdeter Pflanzen führen kann. Auf EU-Ebene fehlt ein Überwachungsplan sowie eine Prüfung des Herbizideinsatzes, insbesondere unter Berücksichtigung regional und ökologischer Gegebenheiten.
Für beide Sorten liegt keine Risikobewertung gemäß der neuen Richtlinie 2001/18/EG vor, denn beide wurden nach den früheren EU-Vorschriften genehmigt und ihre Zulassung lief bereits im April 2007 aus.
Die EU-Kommission verfolgt eine Salami-Taktik: nach der Aufhebung des Importverbots als Lebens- und Futtermittel ist die Demontage des Anbauverbots für MON810 zu erwarten. Das wäre das Ende einer gentechnikfreien Landwirtschaft in Österreich!
ÖVP führt einen Scheinkampf gegen die Agro-Gentechnik
Es ist seit langer Zeit bekannt, dass das WTO-Urteil bis 21.11.2007 umgesetzt werden muss! Warum lässt sich BM Pröll mit seinen wissenschaftlichen Argumenten (Vorlage einer Studie, welche die Importverbote begründen sollen, erst am
20. November 2007) so lange Zeit?
Während die ÖVP die Gentechnik bei Lebensmitteln vordergründig bekämpft, will sie den Gentechnik-Konzernen bei den Agro-Treibstoffen Tür und Tor öffnen. Am Sonntag, den 19. August 2007 hat Vizekanzler Molterer anlässlich eines Interviews im Kurier folgende Aussage getroffen:
„... Und wenn wir bei der Biomasse etwas weiterbringen wollen, werden wir dort, nur dort, auch über Gentechnologie reden müssen. Ich kann nicht Klimaschutz wollen, aber zu allem Nein sagen.“
Gentechnisch veränderte Energiepflanzen sind jedoch für die Umwelt genauso problematisch wie zu Nahrungszwecken angebaute Gentech-Saaten. Die Gefahr, dass es zu Vermischungen mit Produkten aus konventioneller und biologischer Landwirtschaft kommt, ist genauso groß.
BM Pröll hat es auch verabsäumt, im neuen Agrarumweltprogramm (ÖPUL) 2007 – 2013 gentechnikfreies Saatgut vorzuschreiben. Die vom ÖPUL erfassten Flächen betragen 88 % der landwirtschaftlich genutzten Fläche Österreichs. Der Verzicht auf Gentechnik-Saatgut wäre daher die einzigartige Möglichkeit gewesen, einen Großteil der landwirtschaftlich genutzten Fläche gentechnikfrei zu erhalten.
Neuerlicher Angriff der EU-Kommission auf Gentechnik-Importverbote zu befürchten
Es ist zu befürchten, dass die Kommission als nächsten Schritt eine Aufhebung des österreichischen Anbauverbotes für den Gentechnik-Mais MON810 anstrebt. Über 40 Sorten mit diesem Konstrukt sind bereits als Saatgut in der EU zugelassen. Österreich muss sich daher rüsten, um diesem Ansturm gewachsen zu sein.
Grüne Forderungen:
1. Die Erhaltung einer gentechnikfreien Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion in Österreich darf nicht der ÖVP überlassen werden, sondern muss zur Chefsache (Bundeskanzler) erklärt werden.
2. Beibehaltung der österreichischen Importverbote zumindest so lange, bis die angekündigte Studie über MON810 vorliegt (zu erwarten im Februar 2008).
3. Informationsoffensive und Appell an den Lebens- und Futtermittelhandel, Gentechnik-Produkte nicht in die Angebots-Palette aufzunehmen.
4. Konsequente Anwendung des Vorsorge-Prinzips: Keine EU-Zulassungen von weiteren Gentechnik-Konstrukten, solange keine unabhängige Risikobewertung vorliegt, die auch die Langzeit-Risiken berücksichtigt.
5. Etablierung einer unabhängigen Risiko- und Sicherheitsforschung im Bereich der Agro-Gentechnik auf EU-Ebene und in Österreich.
6. Österreichische Offensive zur Schaffung von EU-Rechtsgrundlagen für das Selbstbestimmungsrecht der Regionen auf eine gentechnikfreie Landwirtschaft.
7. Volle Unterstützung für den Vorschlag von Umweltkommissar Stavros Dimas, den beiden gentechnisch veränderten Maislinien Bt11 (Syngenta) und 1507 (Pioneer) die Anbauzulassung in der Europäischen Union zu verweigern.
8. Internationale Umweltabkommen müssen gegenüber den Handelsabkommen Vorrang haben. ( Das WTO-Urteil ist eine Ohrfeige für das internationale Umweltrecht, denn im konkreten Streitfall wurde das Biosafety-Abkommen (Cartagena-Protokoll) für nicht relevant erklärt. Das Cartagena-Protokoll sieht erstmals völkerrechtlich verbindliche Regeln für den grenzüberschreitenden Handel mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) vor und räumt den Staaten das Recht ein, den Import von GVO aus Gründen der Vorsorge zu verbieten.)
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